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Erwachsenenschutz Teil 2: Vorsorgeauftrag

Datum:
10.12.2015
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Kindsrecht
Stichworte:
Erwachsenenschutzrecht, KESB, Patientenverfügung, Vorsorgeauftrag
Autor:
RA Urs Bürgi
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Gastautor: Urs Bürgi

Rechtsanwalt und Inhaber des Zürch. Notar-, Grundbuch- und Konkursverwalter-Patentes
Partner Bürgi Nägeli Rechtsanwälte, Zürich

Einleitung

Im Artikel zu Teil 1 «Grundlagen» haben wir eine Auslegeordnung über die Grundsätze des neuen Erwachsenenschutzrechtes vorgenommen. Neu sind insbesondere das Selbstbestimmungsrecht und die familiäre Einbindung aufgrund des heute veränderten Beziehungsnetzes.

Der „Vorsorgeauftrag“ ist eine Vorkehr vor Eintritt der Urteilsunfähigkeit.

Urteilsunfähigkeit und Vorsorgeauftrag

Sollten Sie Ihre Urteilsfähigkeit verlieren, ermöglicht der Vorsorgeauftrag dem eingesetzten Vorsorgebeauftragten, für Ihr persönliches Wohl zu sorgen, Ihr Vermögen zu verwalten und Sie im Rechtsverkehr zu vertreten. Die Hauptanwendungsfälle des Vorsorgeauftrags betreffen den Verlust der Urteilsfähigkeit infolge

  • Unfall
  • Krankheit

Vorsorge-Auftraggeber

  • Verfasser des Vorsorgeauftrags

Im Vorsorgeauftrag sind die Personalien (Vorname, Name, Geburtsdatum, ev. Bürgerort und Anschrift) wiederzugeben (siehe Muster).

Vorsorge-Beauftragter

Als Vorsorgebeauftragte kommen in Betracht:

  • Personen
    • Natürliche Personen
    • Juristische Personen
    • Organisationen
  • Potentielle Beauftragte
    • Ehegatte bzw. Lebenspartner
    • Nachkomme
    • Rechtsanwalt
    • Notar
    • Treuhänder / Treuhandgesellschaft
    • Bank

Im Regelfall wird eine Person als Vorsorgebeauftragter berufen.

Je nach Situation oder Interessenwert kann es zweckmässig sein, das „4 Augen-Prinzip“ vorzusehen. Im Vorsorgeauftrag können daher zwei oder auch mehrere Personen als gemeinsame Vorsorgebeauftragte bezeichnet werden.

Der oder die Vorsorgebeauftragte(n) sind genau zu bezeichnen (Vorname Name, Geburtsdatum, ev. Bürgerort und Anschrift) (siehe Muster).

Der Vorsorgebeauftragte sollte nicht in einem Interessenkonflikt stehen und für die vorgesehene Aufgabe bei den konkreten Verhältnissen geeignet sein; bei Eintritt der Urteilsunfähigkeit des Vorsorge-Auftraggebers hat die KESB diese Eignung zu prüfen.

Der Vorsorgebeauftragte hat das Recht, die Annahme des Vorsorgeauftrags abzulehnen oder den angenommenen Vorsorgeauftrag später zu kündigen. Daher kann es zweckmässig sein, bei Errichtung des Vorsorgeauftrags abzuklären, ob der vorgesehene Vorsorgebeauftragte bereit ist, das doch sehr persönliche und möglicherweise aufwändige Mandat anzunehmen.

Für den Fall der Nichtannahme oder der späteren Kündigung des Vorsorgeauftrags empfiehlt sich die Bezeichnung eines Ersatz-Vorsorgebeauftragten.

Inhalt des Vorsorgeauftrags

Der Vorsorgeauftrag (auch: Vorsorgevollmacht) hat drei Bereiche zum Gegenstand

  • Personensorge
  • Vermögenssorge
  • Vertretung im Rechtsverkehr

Wird die gleiche Person für alle drei Bereich eingesetzt, kommt dies einer Beistandschaft gleich.

Klare Instruktionen und Weisungen sind empfehlenswert:

  • Aufgabenumschreibung
  • Weisungen
  • Wünsche
  • Ausschluss bestimmter Vermögensanlagen
  • Desinvestitionskonzept

Machen Sie sich Gedanken, was Sie für den Fall Ihrer Urteilsunfähigkeit vorkehren wollen, d.h. wer welche Aufgaben übernehmen soll. Halten Sie Ihre Instruktionen und Weisungen – wie hievor – erwähnt fest und lassen Sie sich bei der Redaktion des Vorsorgeauftrags beraten.

Anweisungen und Wünsche zu medizinischen Massnahmen bestimmen Sie besser in der dafür vorgesehenen „Patientenverfügung“. Dies wird in Teil 3 unserer Artikelfolge erläutert.

Errichtung des Vorsorgeauftrags

  • Voraussetzungen des Verfassers
    • Handlungsfähigkeit
    • Urteilsfähigkeit
    • Volljährigkeit
  • Form
    • wie Testament (eigenhändig, datieren und unterzeichnen)
    • Öffentliche Beurkundung durch den Notar
    • siehe Links in der Box

Siehe auch nachfolgend „Muster“.

Hinterlegung des Vorsorgeauftrags

Der Vorsorgeauftrag ist unverzüglich nach Eintritt der Urteilsunfähigkeit der Erwachsenenschutzbehörde (KESB) zur Kenntnis zu bringen. Es ist Sache des Vorsorge-Auftraggebers dafür zu sorgen, dass sein Vorsorgeauftrag zur gegebenen Zeit an die KESB gelangt.

Der Vorsorgeauftrag kann beim Zivilstandsamt zur Vormerkung in der zentralen Datenbank „Infostar“ angemeldet werden.

Widerruf des Vorsorgeauftrags

Der Vorsorge-Auftraggeber kann den Vorsorgeauftrag zur Ergänzung, Änderung, Bezeichnung eines andern Vorsorge-Beauftragten oder ersatzlos widerrufen.

Der Widerruf des Vorsorgeauftrags untersteht den gleichen Anforderungen wie seine Errichtung:

  • Voraussetzungen
    • Urteilsfähigkeit
    • jederzeitiger Widerruf
  • Form
    • wie Testament (eigenhändig, datieren und unterzeichnen)
    • Öffentliche Beurkundung
    • Vernichtung
    • Anbringung des Vermerks „Widerruf“

Der Vorsorge-Auftraggeber kann auch nach Wiedererlangung der Urteilsfähigkeit den Vorsorgeauftrag widerrufen, sofern und soweit er nicht angesichts der Formulierung oder der konkreten Situation bereits seine Wirkung verloren hat.

Muster für einen Vorsorgeauftrag

Unter folgendem Link lässt sich ein Muster für die Selbstredaktion herunterladen:

https://law.ch/wp-content/uploads/2015/11/Muster-Vorsorgeauftrag.pdf

Je konkreter und genauer der Vorsorgeauftrag redigiert wird, desto grösser ist die Chance, dass der Vorsorgebeauftragte wunschgemäss agieren kann. Wie bei der Gestaltung von Testamenten und Erbverträgen muss man sich bewusst sein, dass sich für die Zeit nach dem eigenen Ableben nicht alles und jedes vorerahnen und vorbestimmen lässt.

Anordnungen für den Todesfall

Abgrenzung von Vorsorgeauftrag und Testament

Der Vorsorgeauftrag betrifft u.a. die lebzeitigen Vermögensvorkehren. Das Testament beschlägt die letztwillige Vermögensnachfolge, d.h. die vermögensrechtliche Einflussnahme auf die Zeit nach dem Ableben des Betroffenen.

Ohne Testament gilt die gesetzliche Erbfolge

Ohne Errichtung eines Testaments findet die gesetzliche Erbfolge Anwendung. – Es ist die persönliche Sache jedes Einzelnen, zu entscheiden, ob er die abstrakten Vermögensnachfolge- und Teilungsnormen des Gesetzgebers anwenden lassen oder – vorbehältlich allfälliger Pflichtteilsrechte selber bestimmten will. Im Falle eines Beratungsbedarfs empfiehlt sich der Beizug eines Rechtsanwalts oder eines Notars.

Testament

Will der Betroffene – nebst der Patientenverfügung – auch seine Vermögensnachfolge vom Gesetz abweichend einseitig bestimmen, hat er folgendes zu beachten:

  • Gegenstand
    • Mit dem Testament trifft der Erblasser einseitige, jederzeit frei widerrufbare Anordnungen über seinen dereinstigen Nachlass
  • Inhalt
    • Feststellungen (anwendbares Recht, Hinweis auf Ehevertrag und auf frühere Testamente)
    • Aufhebung früherer Testamente
    • Erbeinsetzung(en)
    • Vermächtnis(se)
    • Auflagen
    • Wünsche
    • Teilungsvorrecht / Teilungsvorschrift
    • Willensvollstrecker (auch Testamentsvollstrecker bezeichnet)
  • Errichtung
    • Eigenhändige letztwillige Verfügung (eigenhändige Niederschrift von Anfang bis Ende, unter Datumsangabe und mit Unterschrift)
    • Öffentliche letztwillige Verfügung (öffentliche Beurkundung durch Notar, unter Mitwirkung von zwei Zeugen)
  • Hinterlegung
    • Aufbewahrung beim Notariat am Wohnsitz des Testators
    • Aufbewahrung beim Anwalt oder Treuhänder
    • Registrierung im Testamentsregister beim Schweizerischen Notarenverband
    • Abzuraten: Aufbewahrung im Banksafe (Risiko der Eröffnung des Nachlasses mit gesetzlicher Erbfolge, Anpassung des Erbscheins nach Revision der Testamentseröffnung aufgrund des zuvor nicht bekannten „Safe-Testaments“)
  • Widerruf
    • Jederzeitiger Widerruf oder Änderung möglich
    • Widerruf in neuem Testament (Erwähnung) oder durch Errichtung eines neuen Testaments oder durch Zerstörung des Testamentsdokuments
    • Änderungen sind bezüglich materiellem Inhalt und Form heikel (beratungsbedürftig)

Erbvertrag

Will der Betroffene – nebst der Patientenverfügung – seine Vermögensnachfolge vom Gesetz abweichend bindend vereinbaren, hat der folgendes zu beachten:

  • Gegenstand
    • In einem Erbvertrag kann der Erblasser zusammen mit einer Person bindende Abmachungen über seinen dereinstigen Nachlass treffen, die erst nach seinem Ableben wirksam werden
  • Inhalt
    • Erbeinsetzungsvertrag
      • Erblasser setzt Vertragspartner als Erben ein
    • Erbverzichtsvertrag
      • Gesetzlicher Erbe verzichtet auf seine zukünftigen Erbansprüche
  • Errichtung
    • Öffentliche letztwillige Verfügung (öffentliche Beurkundung durch Notar, unter Mitwirkung von zwei Zeugen)
  • Hinterlegung
    • Aufbewahrung beim Notariat am Wohnsitz resp. bei der betreffenden Urkundsperson
  • Widerruf
    • Aufhebung nur im Einverständnis mit der aus dem Erbvertrag begünstigten Person

Ehevertrag

Verheiratete Personen haben u.a. die Möglichkeit, den überlebenden Ehepartner vorab durch einen „Meistbegünstigungs-Ehevertrag“ finanziell abzusichern. Ein solcher Ehevertragsinhalt, aber auch Ehevertragsbestimmungen zur lebzeitigen Auflösung der Ehe, können bewirken, dass sich der als Vorsorgebeauftragte berufene Ehegatte in einem Interessenkonflikt befindet. Der Vorsorgeauftraggeber sollte dies bei der Auswahl des Vorsorgebeauftragten berücksichtigen.

Fazit

Der Vorsorgeauftrag ist ein neu geschaffenes Instrument des Erwachsenenschutzrechts, mit welchem selbstbestimmend auf diejenige Phase des Lebens Einfluss genommen werden kann, während welcher man nicht mehr selber in der Lage ist, für die eigenen Belange zu sorgen. Wichtig ist, genau zu prüfen, welche Person mit der jeweiligen Sorge beauftragt wird, welche Aufgaben dieser Person konkret zukommen und welche Anweisungen, Bedingungen und Auflagen zu erlassen sind. Weiter ist – wie bei der Testamentsredaktion bzw. bei der Willensvollstrecker-Ernennung – an die Bezeichnung eines Ersatzbeauftragten zu denken.

Die Errichtung eines Vorsorgeauftrags kann gleichzeitig Motivator sein, die Vermögensnachfolge nach dem Tod durch Ehevertrag, Testament oder Erbvertrag zu regeln.

Bild: dpa

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