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Anwaltliches Direktkontaktverbot und Gegenpartei im E-Mail-Cc

Datum:
28.02.2020
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Anwälte / Mediatoren
Stichworte:
Anwalt
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Standeswidrigkeit

Einleitung

In der täglichen Kommunikation unter Rechtsanwälten sind e-mails nicht mehr wegzudenken.

Dabei sind zwei Fälle denkbar und typisch:

  1. Ein Anwalt kopiert die Gegenpartei im Cc ein, weil er den Eindruck hat, sein Berufskollege informiere seinen Mandanten nicht umfassend und nicht gehörig über seine Argumente; ist dies zulässig? (= FALL 1)
  2. Der Einfachheit halber und aus Effizienzgründen kopieren Anwälte je länger je mehr ihre Klienten im cc ein, um sie über die Kommunikation mit dem Gegenanwalt zu informieren; ist dies eine Einwilligung des das e-mail versendenden Rechtsanwalts, dass der Gegenanwalt das back-mail auch den von ihm vertretenen Klienten „zurücksenden“ darf? (= FALL 2)

Direktkontaktverbot

Grundsätzlich gilt die direkte Kontaktnahme mit der Gegenpartei als ein ungebührliches Beeindrucken bzw. eine Beeinflussung der anwaltlich vertretenen Partei.

Das Direktkontaktverbot findet sich an folgenden Stellen:

  • Sorgfaltswidrigkeit nach BGFA 12 lit. a
    • (siehe nachfolgend „Berufsrecht der Anwälte“)
  • Standesregelverletzung nach SSR 28
    • (siehe nachfolgend „Standesrecht der Anwälte“)

Berufsrecht der Anwälte

Das Berufsrecht der Anwälte ist im Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935.61) geregelt:

Standesrecht der Anwälte

Der Schweizerische Anwaltsverband (SAV) hat aufgrund seiner Statuten und unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Ausübung des Anwaltsberufes gemäss BGFA für die Mitglieder des SAV verbindliche Standesregeln (SSR) erlassen:

Art. 28 SSR   Kontaktaufnahme mit der Gegenpartei

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verkehren mit der anwaltlich vertretenen Gegenpartei nur mit Einwilligung der Kollegin bzw. des Kollegen oder in begründeten Ausnahmefällen direkt.

Sie informieren darüber umgehend die Gegenanwältin bzw. den Gegenanwalt.

Als Ausnahmen zum Verbot der direkten Kontaktnahme gelten, zumindest nach SSR 28:

  • Gefahr im Verzuge
  • triftige Gründe.

Vgl. hiezu FELLMANN WALTER, in: Fellmann/Zindel, Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Auflage, 2011, N 51

Kontaktaufnahme mit der Gegenpartei

Die Verletzung des Verbots der direkten Kontaktnahme wird in der Regel als Umgehung des Kollegen bzw. als ein Handeln hinter dem Rücken des Berufskollegen verstanden.

FALL 1

Ein gleichzeitiger Versand einer e-mail an den Gegenanwalt und dessen Mandanten gilt als nach SSR 28 standeswidrig, sofern und soweit keine Ausnahmesachverhalte (Gefahr im Verzuge und / oder triftige Gründe) vorliegen.

Das Standesgericht stufte den expliziten Vorwurf eines verzeigten Anwalts, sein Berufskollege informiere seinen Mandanten nicht bzw. nicht gehörig, als ungehörige Unterstellung ein. Der verzeigte Anwalt konnte keine Verdachtsgründe namhaft machen. Das Verhalten des fehlbaren Anwalts war nach Ansicht des Standesgerichts des Anwaltsverbandes inakzeptabel.

Da der verzeigte Anwalt den Berufskollegen zwar nicht umgangen, aber die Gegenpartei unnötiger- und unrichtigerweise miteinkopiert hatte, wurde er vom Standesgericht des Anwaltsverbandes mit der mildesten Sanktion, einer Verwarnung, bestraft.

FALL 2

Geht man vom Prinzip aus, dass in jedem e-mail-Ablauf die Gegenpartei nicht im Cc einkopiert werden darf, ist der Fall auch hier klar: Der Anwalt, der im back-mail die Gegenpartei einkopiert belässt, würde diesfalls standeswidrig handeln.

Der Anwalt, welcher seinen Klienten im Anwaltsverkehr direkt miteinkopiert, setzt sich selber – unnötig – einem Anlassrisiko aus: Der Empfänger-Anwalt könnte geltend machen, dass er das Einkopieren der Gegenpartei durch den Absender-Anwalt als Einwilligung zum Direktkontakt, zumindest aber zum Back-mail-Einkopieren, verstehen musste und durfte. Die in SSV 28 Abs. 2 vorgesehene umgehende Information nach einem Direktkontakt erfolgt insofern, als der ursprüngliche Absender-Anwalt aus seinem e-mail erkennen kann, dass sein Mandant einkopiert wurde.

Fazit

Es ist den Anwälten im Umgang mit e-mails und vor allem beim Versenden von sog. Back-mails ein Kontrollblick zu empfehlen, ob der Gegenanwalt nicht auch seinen Mandanten im Verteiler ins Cc einkopiert hat.

Aber auch der das e-mail absendende Anwalt sollte sich gut überlegen, ob er seinen Klienten einkopiert oder nicht besser das dem Gegenanwalt zugestellte e-mail anschliessend separat per Weiterleitungs-mail seinem Kunden zustellt. Bis dato sind noch keine Disziplinarentscheide zum Thema bekannt, dass das Klienten-Einkopieren des absendenden Anwalts als Einwilligung an den Gegenanwalt verstanden werden könnte, er dürfe seine Rücksendung „an alle“, also auch an den Mandanten des ursprünglichen Absenders, adressieren.

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