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IPO mit Performance Share Unit-Zuteilung: Freiwilligkeitsabrede auch für aufgeschobene PSU-Tranchen oder nur für künftige

Datum:
11.02.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht
Stichworte:
Arbeitsrecht, Bankbonus, Einkommen, Entgelt
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Einleitung

Strittig war im Prinzip, ob sich die Freiwilligkeitsabrede im IPO-Regulation und in der Grant Notice für Performance Share Units (PSU) auf zwei verabredete, aber aufgeschobene PSU-Tranchen oder auf (noch nicht verabredete) künftige PSU-Tranchen bezog.

Sachverhalt

Die A.________ Holding AG (Beschwerdeführerin) ist die Muttergesellschaft einer Gruppe von Gesellschaften, welche Marktexpansionsdienstleistungen mit geographischem Schwerpunkt in Asien anbietet.

Der Beschwerdegegner B.________ wurde von der A. Management AG als Leiter der Geschäftseinheit Spezialrohstoffe mit einem bis 31.12.2013 befristeten Arbeitsvertrag angestellt. Der befristete Arbeitsvertrag wurde nicht verlängert.

B.________ erhielt 2013 insgesamt CHF 596’276.65 ausbezahlt.

Das von der Beschwerdeführerin A.________ Holding AG im Frühjahr 2011 im Hinblick auf ihren geplanten Börsengang erlassene IPO-Regulation (“Initial Public Offering-Regulation”) sah folgendes vor:

  • Übertragung von Aktien der ________ Holding AG im Hinblick auf den Börsengang und unter bestimmten Voraussetzungen an ausgewählte Führungskräfte
  • Zuteilung von 300 Performance Share Units (“PSU”) an ________
    • die „PSU“ sollten an drei Vesting-Daten gemäss einer Formel in eine Anzahl Aktien umgerechnet und an ________ übertragen werden

Die letzte Tranche Aktien wurde B.________ nicht übertragen.

Prozess-History

  • Klage von ________ gegen die A.________ Holding AG beim Arbeitsgericht Zürich (AGZ)
  • Gutheissung der Klage durch das AGZ
  • Berufung der ________ Holding AG ans Obergericht des Kantons Zürich (OGZ)
  • Abweisung der Berufung der ________ Holding AG durch das OGZ
  • Beschwerdeerhebung der ________ Holding AG ans Bundesgericht

Erwägungen

Auslegung von Grant Notice

Die Beschwerdeführerin A.________ Holding AG brachte vor Bundesgericht stichwortartig zusammengefasst folgendes vor:

  • Unterschriftlicher Akzept des Grant Notice mit der PSU-Zuteilung
  • Grant Notice mit der Zuteilung von PSU begründe keinen Rechtsanspruch
  • IPO-Regulation ebenfalls mit Feststellung, dass die PSU eine freiwillige Sondervergütung darstelle
  • Offensichtliche Fehlerhaftigkeit des vorinstanzlichen Auslegungsergebnisses, wonach mit der Übermittlung der Grant Notice an ________ ein Anspruch begründet worden sei.

Das Bundesgericht gelangte demgegenüber zum Ergebnis, dass die Auslegung des OGZ nicht zu beanstanden sei.

Freiwilligkeitsvorbehalt für die Zukunft

Die Vorinstanz hatte den Freiwilligkeitsvorbehalt der Grant Notice nicht auf bereits zugeteilte, sondern einzig auf künftige PSU-Tranchen bezogen:

  • Qualifikation als „Gratifikation“
    • Die Vorinstanz hatte erwogen, es liege zwar eine echte Gratifikation vor, doch habe die ________ Holding AG ihr Ermessen mit der Grant Notice ausgeübt
  • Berechenbarer Anspruch
    • Die genaue Anzahl „PSU“ und weitere Faktoren seien in der Grant Notice enthalten gewesen, weshalb ein berechenbarer Anspruch durch die Grant Notice zugesichert worden und entstanden sei
  • Klagbarkeit des Anspruchs
    • Der Anspruch war klagbar, wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt waren
  • Vesting-Bestimmungen als Zahlungsmodalität und Fälligkeitsaufschub
    • Die Vesting-Regeln waren gemäss Vorinstanz lediglich Zahlungsmodalitäten und führten zu einer aufgeschobenen Fälligkeit der zweiten und dritten Tranche
  • Keine Beendigungsregeln
    • Darüber hinaus enthielten die Planbestimmungen gemäss der Vorinstanz keine Regel zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Befristungsablauf
  • Regelung, wonach bei Kündigung keine künftigen PSU mehr in Aktien erfolgen sollten
    • Geregelt war lediglich, dass nach einer Kündigung durch eine der Vertragsparteien keine PSU mehr in Aktien umgerechnet und übertragen werden sollten

Nicht genutzte, konträre Gestaltungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin

Der Beschwerdeführerin A.________ Holding AG wäre es – so die Vorinstanz – freigestanden, den Aktienübertragungs-Anspruch davon abhängig zu machen, dass der Arbeitsvertrag im Zeitpunkt des Vesting noch besteht:

  • ________ habe aus dem Planzweck nicht schliessen müssen, dass sein Anspruch auf die dritte Tranche wegen der Arbeitsvertragsbefristung entfalle
  • Die Vorinstanz hatte den Aktienprogramm-Zweck in der Vermeidung des Abgangs von Schlüsselpersonals nach dem Börsengang gesehen.

Diese Feststellungen waren nicht zu beanstanden.

Entscheid

  • Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten war
  • Auferlegung der Gerichtskosten von CHF 16‘000 der Beschwerdeführerin
  • Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Bezahlung einer Parteikostenentschädigung von CHF 18‘000 an den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren
  • Mitteilungen

Quelle

BGer 4A_603/2018 vom 28.06.2019

Definitionen

IPO

  • Initial Public Offering
  • Börsengang bzw. erste Emission von Aktien

Grant Notice

  • Zuteilungsentscheid

Vesting

  • Ausübungs- bzw. Andienungsbedingungen und -zeitraum

Performance Share Units (PSU)

  • Performance Share Plan (resp. Performance Stock Plan)
    • Grundlage für eine aktienbasierte Kadervergütung, die zum einen auf dem Erreichen operativer Zielgrössen und zum anderen auf dem Aktienkurs der Unternehmung basiert
    • Führungskräften wird eine bestimmte Aktienanzahl resp. deren Gegenwert angeboten, sofern und soweit über eine im Voraus festgelegte Zeitperiode die vereinbarten Ziele erreicht werden
  • Je nach Zielerreichungsgrad, der in Aussicht gestellten Aktien(-Gegenwerte) und der Höhe des Aktienkurses am Ende der Beteiligungsperiode fällt die Belohnung unterschiedlich hoch aus

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