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Sozialversicherungsrecht / Sozialversicherung

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Arbeitslosenanspruch nach nicht bestandener Anwaltsprüfung

Datum:
16.03.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht
Stichworte:
Arbeitslosenversicherung
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

AVIG 14 Abs. 1 lit. a

Sachverhalt

A.______ (Beschwerdeführer) war aufgrund des Anwaltsexamens während 13.5 Monaten (sechs Monate Vorbereitungszeit für den ersten Versuch, drei Monate Vorbereitungszeit für den zweiten Versuch sowie viereinhalb Monate reine Prüfungszeit) an der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung verhindert.

Mit Verfügung vom 12.04.2018 teilte ihm die Prüfungsbehörde mit, dass er das Anwaltsexamen definitiv nicht bestanden habe.

Am 13.04.2018 meldete er sich zur Arbeitsvermittlung an und erhob Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 13.04.2018.

Mit Verfügung vom 01.06.2018 (Nr. 1216/2018) lehnte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland (Kasse) seine Anspruchsberechtigung aufgrund Nichterfüllens der Beitragszeit ab.

In der Begründung führte sie aus, dass der Versicherte während der Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 13.04.2016 bis 12.04.2018 nur 8.607 Monate einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachweisen könne. Damit habe er die notwendigen zwölf Monate an Beitragszeit nicht erfüllt, weshalb der Anspruch abzulehnen sei.

Prozess-History

  • Einsprache von A
  • Einsprache-Entscheid der Kasse
    • Die Kasse wies mit Einspracheentscheid vom 03.10.2018 die von A.____ dagegen erhobene Einsprache im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die vom Versicherten verwendete Zeit zur Vorbereitung und Absolvierung der Anwaltsexamen unverhältnismässig lang gewesen sei, weshalb kein Befreiungsgrund für die Nichterfüllung der Beitragsdauer vorliege.
  • Beschwerde des A. ans Kantonsgericht
    • Gegen den Einspracheentscheid erhob A.____ mit Eingabe vom 05.11.2018 Beschwerde beim Kantonsgericht, Abteilung Sozialversicherungsrecht
    • Er beantragte unter o/e Kostenfolge
      • die Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheids sowie die Feststellung,
        • dass er für die Dauer vom 1.01.2017 bis 12.04.2018 von der Beitragspflicht befreit gewesen sei;
        • eventualiter, dass er für die Dauer von mindestens einem Jahr von der Beitragspflicht befreit gewesen sei.
      • die Feststellung, dass er Anspruch auf Taggelder im gesetzlichen Umfang habe.

Erwägungen

Das KG BL befand, dass die erwähnten Vorbereitungs- und Prüfungszeiten nicht unverhältnismässig lang gewesen seien, weshalb der Beschwerdeführer als beitragsbefreit gemäss AVIG 14 Abs. 1 lit. a gelte.

Nach seinem Misserfolg bei der Anwaltsprüfung habe der Beschwerdeführer grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosentaggelder. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland (Beschwerdegegnerin) habe daher die Anspruchsvoraussetzungen gemäss AVIG 8 ff. zu prüfen.

Entscheid

Das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, urteilte daher:

  • Der Einspracheentscheid vom 03.10.2018 wird aufgehoben und es ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 13.04.2016 bis 12.04.2018 von der Erfüllung der Beitragszeit befreit war.
  • Die Beschwerdegegnerin wird folglich nach Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 8 ff. AVIG über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosentaggelder neu zu befinden haben.
  • Die Beschwerde wurde in dem Sinne gutgeheissen.
  • Gemäss Art. 61 lit. a des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 06.10.2000 ist das Verfahren vor dem kantonalen Gericht für die Parteien kostenlos; folglich werden keine Verfahrenskosten erhoben.

Quelle

Kantonsgericht Basel-Landschaft
Entscheid 715 18 364/43
vom 14.02.2019

Art. 14 AVIG   Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit

1 Von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind Personen, die innerhalb der Rahmenfrist (Art. 9 Abs. 3) während insgesamt mehr als zwölf Monaten nicht in einem Arbeitsverhältnis standen und die Beitragszeit nicht erfüllen konnten wegen:

a.1einer Schulausbildung, einer Umschulung, einer Aus- und Weiterbildung, sofern sie während mindestens zehn Jahren in der Schweiz Wohnsitz hatten;

b. Krankheit (Art. 3 ATSG2), Unfall (Art. 4 ATSG) oder Mutterschaft (Art. 5 ATSG), sofern sie während dieser Zeit Wohnsitz in der Schweiz hatten;

c. eines Aufenthaltes in einer schweizerischen Haft- oder Arbeitserziehungsanstalt oder in einer ähnlichen schweizerischen Einrichtung.3

2 Ebenfalls von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind Personen, die wegen Trennung oder Scheidung der Ehe, wegen Invalidität (Art. 8 ATSG) oder Todes des Ehegatten oder aus ähnlichen Gründen oder wegen Wegfalls einer Invalidenrente gezwungen sind, eine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder zu erweitern.4 Diese Regel gilt nur dann, wenn das betreffende Ereignis nicht mehr als ein Jahr zurückliegt und die betroffene Person beim Eintritt dieses Ereignisses ihren Wohnsitz in der Schweiz hatte.5

3 Schweizer, die nach einem Auslandaufenthalt von über einem Jahr in einem Staat, der sowohl ausserhalb der Europäischen Gemeinschaft als auch der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) liegt, in die Schweiz zurückkehren, sind während eines Jahres von der Erfüllung der Beitragszeit befreit, sofern sie sich über eine entsprechende Beschäftigung als Arbeitnehmer im Ausland ausweisen können und während mindestens sechs Monaten in der Schweiz eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben.6 Unter den gleichen Voraussetzungen sind Angehörige von Staaten der Europäischen Gemeinschaft und der EFTA, deren Niederlassungsbewilligung nicht erloschen ist, von der Erfüllung der Beitragszeit befreit. Der Bundesrat bestimmt zudem, unter welchen Voraussetzungen Ausländer, die nicht Angehörige eines Staates der Europäischen Gemeinschaft oder der EFTA sind, und deren Niederlassungsbewilligung nicht erloschen ist, nach einem Auslandaufenthalt von über einem Jahr von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind.7

4 …8

5–5bis …9

1 Fassung gemäss Anhang Ziff. 40 des BG vom 20. Juni 2014 über die Weiterbildung, in Kraft seit 1. Jan. 2017 (AS 2016 689BBl 2013 3729).
2 SR 830.1
3 Fassung gemäss Ziff. I der V der BVers vom 21. Juni 2002, in Kraft seit 1. Jan. 2003 (AS 2002 3472BBl 2002 803).
4 Fassung gemäss Ziff. I der V der BVers vom 21. Juni 2002, in Kraft seit 1. Jan. 2003 (AS 2002 3472BBl 2002 803).
5 Fassung gemäss Ziff. I 12 des BG vom 8. Okt. 1999 zum Abk. zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der EG sowie ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, in Kraft seit 1. Juni 2002 (AS 2002 701BBl 1999 6128).
6 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 16. Dez. 2016 (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen), in Kraft seit 1. Juli 2018 (AS 2018 733BBl 2016 3007).
7 Fassung gemäss Ziff. I 11 des BG vom 14. Dez. 2001 betreffend die Bestimmungen über die Personenfreizügigkeit im Abk. zur Änd. des Übereink. zur Errichtung der EFTA, in Kraft seit 1. Juni 2002 (AS 2002 685BBl 2001 4963).
8 Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 22. März 2002, mit Wirkung seit 1. Juli 2003 (AS 2003 1728BBl 2001 2245).
9 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 23. Juni 1995 (AS 1996 273; BBl 1994 I 340). Aufgehoben durch Ziff. I des BG vom 22. März 2002, mit Wirkung seit 1. Juli 2003 (AS 2003 1728; BBl 2001 2245).

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