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Stimmrechtsberater börsenkotierter AG‘s sollen Interessenkonflikte offenlegen und vermeiden

Datum:
08.06.2020
Rubrik:
Gesetzgebung
Rechtsgebiet:
Bankgarantie
Stichworte:
Aktiengesellschaft
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Motion Ständerat Dr. Thomas Minder

19.4122 MOTION

Der Nationalrat hat am 03.06.2020 die Motion mit 101 zu 65 Stimmen angenommen. Der Ständerat hatte die Motion bereits am 16.12.2019 befürwortet.

Worum geht es?

Stimmrechtsberater (sog. Proxy Advisors) bei börsenkotierten Aktiengesellschaftensind grundsätzlich begrüssenswerte Akteure, kann doch nicht jeder einzelne Aktionär die Corporate Governance und die umfangreichen bzw. komplexen Geschäfts-, Finanz- und Vergütungsberichte detailliert prüfen.

Stimmrechtsempfehlungen dieser Akteure bewegen namhafte Anteile von Aktienstimmen, teils mit ausschlaggebender Bedeutung.

Die Erfahrung zeigt nun, dass es auch gewichtige Nachteile gibt:

  • Stimmrechtsvertreter halten keine oder nur ein Minimum an Aktien
  • Internationale Stimmrechtsvertreter haben keine Schweizer Niederlassung und daher keinen Landes- bzw. Ortsbezug
  • Interessenkonflikte, wenn die Stimmrechtsberater einerseits die Unternehmen analysieren und zuhanden der Aktionäre und der Öffentlichkeit bewerten und kritisieren, andererseits aber gleichzeitig Beratungsdienstleistungen für dieselben Gesellschaften anbieten – respektive geradezu forcieren:
    • zB durch Ablehnung von Vergütungssystemen, in der Hoffnung die betroffenen Unternehmen würden Berateraufträge erteilen, die Entschädigungsmodelle «in ihrem Sinn» zu korrigieren
  • Empfehlungen in Checklistenmentalität
  • Keine Rücksichtnahme auf lokale Begebenheiten
  • Keine Berücksichtigung betrieblicher Besonderheiten
  • Keine Möglichkeit der Unternehmen vor einer negativen Empfehlung gegenüber den Beratern Stellung nehmen zu können
  • etc.

Es sahen bzw. sehen einen Handlungsbedarf:

  • Schweizer Börse
  • EU, die 2017 eine Richtlinie für Stimmrechtsberater erlassen hat
  • US-Börsenaufsicht, Handelskammer, New York Stock Exchange, welche einen Gesetzesvorstoss im US-Senat (zu den Interessenkonflikten) unterstützen
  • Schweizer Rechtslehre betreffend Interessenkonflikte (siehe unten)

Der Bundesrat befürwortet die Motion. Er machte zudem geltend, dass die Gesellschaften, die Dienstleistungen von Stimmrechtsberatern bezogen hätten, allfällige Interessenkonflikte den Aktionären öffentlich kommunizieren müssten.

Das Anliegen, welches ursprünglich als Art. 700a E-OR (Dienstleistungen von Stimmrechtsberatern) in der grossen Aktienrechtsrevision (16.077) aufgenommen worden war, wird nun dort aus formellen Gründen gestrichen und als separate Vorlage behandelt.

Der Bundesrat muss nun ein Gesetz zur Interessenkonflikt-Vermeidung von Stimmrechtsberatern bei börsenkotierten Aktiengesellschaften vorlegen.

CHRONOLOGIE

Literatur

  • Christophe Volonté und Simon Zaby, Stimmrechtsberatung – Eine kritische Betrachtung, ST 2013/08
  • Christian Rioult, Regulierung von Stimmrechtsberatern, AJP 2014, 1176 ff.
  • Dieter Gericke und Olivier Baum, Corporate Governance: Wer ist der Governor?, SZW 2014/4
  • Christophe Tagouo, L’influence des agences de vote sur les assemblées générales des sociétés cotées: Quo vadis?, AJP 2015, 1129 ff.
  • Thomas Reutter, Regulierung und Haftung von Proxy Advisors, in: Kapitalmarkt – Recht und Transaktionen XI, 2017, 229 ff.
  • Peter Forstmoser und Marcel Küchler, Die Aktienrechtsreform vor der letzten Etappe? (Teil II), SJZ 2017, 153 ff.
  • Patricia Andrea Neuhaus, Regulierung der Proxy Advisors im Zuge der aktuellen Aktienrechtsrevision? EF 2018/08

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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