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Abtretung Verantwortlichkeitsansprüche nach SchKG 260 + fehlende Aktivlegitimation bei individuellem Gläubigerschaden ohne Gesellschaftsschädigung

Datum:
04.08.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
SchKG / Zwangsvollstreckungsrecht
Stichworte:
Abtretungsgläubiger
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

OR 757 Abs. 2 i.V.m. SchKG 260; SchKG 285 ff.

Konkursabtretungsgläubiger nach SchKG 260 sind (wie die Konkursverwaltung) nicht legitimiert, einen ausschliesslich im Vermögen der Konkursgläubiger eingetreten Schaden mittels Verantwortlichkeitsklage gegen die fehlbaren Organe einzuklagen.

Die Urteilsbesprechung von BGer 4A_623/2017 vom 24.08.2018 befasst sich mit der Aktivlegitimation der Konkursmasse resp. in der Abtretungsgläubiger in Prozessstandschaft im Zusammenhang mit einer Verantwortlichkeitsklage gegen die Organe einer konkursiten Gesellschaft.

Der zu besprechende Entscheid stellt eine Abkehr von der sog. „Raichle“-Rechtsprechung dar: Die History und dann die Abweisungsbegründung BGer 4A_623/2017:

  • „Raichle“-Rechtsprechung
    • Das Bundesgericht hatte im sog. «Raichle»-Entscheid (BGer 5C.29/2000 vom 19.09.2000) der Konkursverwaltung die Aktivlegitimation zuerkannt, den Schaden aus Verminderung des Verwertungssubstrats mittels Verantwortlichkeitsklage geltend machen zu können, und zwar unabhängig davon, ob bei der Gesellschaft ein Schaden eingetreten ist oder nicht
  • Praxisänderung von BGE 142 III 23
    • Mit BGE 142 III 23 wurde die „Raichle“-Rechtsprechung wieder aufgegeben
    • Als Grund wurde angegeben, dass die restriktive Praxis zur Aktivlegitimation der Gläubiger für die Geltendmachung eines ausschliesslich in ihrem Vermögen entstandenen Schadens aufgegeben worden sei
      • Für solche Schäden könnten die geschädigten Gläubiger uneingeschränkt gegen die Gesellschaftsorgane vorgehen
      • Deshalb sei es nicht angebracht, der Konkursverwaltung ebenfalls die Aktivlegitimation für die Geltendmachung von reinen Gläubigerschäden zuzugestehen
      • Der „Raichle“-Entscheid wurde daher als überholt bezeichnet (vgl. BGE 142 III 23, Erw. 4.2, 28 ff.)
      • Die Konkursmasse sei daher nicht legitimiert, den Schaden der Konkursgläubiger mittels Verantwortlichkeitsklage gegen die Gesellschaftsorgane geltend zu machen
    • Hinweise des Bundesgerichts, „wie es wäre, wenn …“
      • Zwingender Vermögensschaden bei der Gesellschaft
      • Kein Schaden bei gleichzeitiger Reduktion von Aktiven und Passiven
        • Keine Tangierung des Eigenkapitals der Gesellschaft
        • Eine Klage der Konkursverwaltung müsste daher mangels Schadens abgewiesen werden
  • BGer 4A_623/2017
    • Bestätigung der Praxisänderung
      • Mit dem vorliegenden Entscheid bestätigt das Bundesgericht die mit BGE 142 III 23 begründete Praxis
    • Klagevoraussetzung: Vermögensschaden bei der konkursiten Gesellschaft
      • Eine Klage der Konkursmasse bzw. der Abtretungsgläubiger nach OR 757 setzt somit voraus, dass im Vermögen der Gesellschaft selber bzw. deren Masse ein Schaden eingetreten ist
    • Schutzlücke im Verantwortlichkeitsrecht?
      • Es stellte sich die Frage, ob im Verantwortlichkeitsrecht eine Schutzlücke zwischen der Klage aus paulianischer Anfechtung und Verantwortlichkeitsklage resp. bei einer Verschiebung von Vermögenswerten ins Ausland bestehe
      • Die Beschwerdeführerin ersuchte das Bundesgericht daher, seine in BGE 142 III 23 entwickelte Rechtsprechung dahingehend zu präzisieren, dass die Konkursmasse oder die Abtretungsgläubiger zumindest dann berechtigt seien, den Schaden der Gläubiger geltend zu machen, wenn die Gläubigerschädigung – wie hier – aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mit einer paulianischen Anfechtungsklage behoben werden könnten
      • Das Bundesgericht verwarf hingegen den Eventualstandpunkt der Beschwerdeführerin, wonach für den Fall, dass die von ihr zur Hauptsache vorgebrachte These verworfen werde, sie als Abtretungsgläubigerin den Schaden durch Verminderung des Verwertungssubstrates mittels Verantwortlichkeitsklage geltend machen dürfe
      • Als Sicherungsinstrument zur Wiederherstellung des Verwertungssubstrates im Interesse der Gläubigergesamtheit dient grundsätzlich die Anfechtungsklage nach SchKG 285 ff., die eine Vermögensschmälerung rückgängig machen kann
    • Fehlender (direkter) Schaden (der Gesellschaft)
      • Es fehlte letztlich an einem substanziiert behaupteten Schaden und damit an einer Voraussetzung der Haftpflicht des Beschwerdegegners.

Nach dem Ausgeführten war die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden konnte. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wurde die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig.

Quelle

BGer 4A_623/2017 vom 24.08.2018

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