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Gesellschaftsrecht

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Kündigung Arbeitnehmer-Aktionär, Aktionärbindungsvertrag und Aktienrückkaufsrecht

Datum:
02.11.2020
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Gesellschaftsrecht
Stichworte:
Aktionärbindungsvertrag
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

OR 18, OR 111, OR 423 f. – Auslegung eines ABV mit Garantiebestimmung

Einleitung

Im Zusammenhang mit Ansprüchen aus einem Aktionärsbindungsvertrag hatte sich das Bundesgericht (BGer) zur Auslegung eines darin enthaltenen Garantievertrages zu äussern.

Dabei stellten sich v.a. folgende Fragen:

  • Auslegung einer Garantie
  • Berücksichtigung von Überschneidungen mit anderen bestehenden Rechtsverhältnissen
  • Zeitpunkt für Festlegung des Aktienwerts im Rahmen eines Rückkaufrechts?
  • Gewinnherausgabeanspruch nach OR 423 Abs. 1 als selbständiger Anspruch oder Anspruch auf Rückerstattung von Leistungen nach OR 678 Abs. 3?

Sachverhalt

Der Kläger A. war seit 01.06.2005 von der B. AG als „Einsatzleiter IT“ angestellt.

Die B. AG wird von der Beklagten, der B. Holdings AG gehalten. Zusätzlich war die B. Holdings AG Aktionärin der C. AG, Anbieterin von IT- und Verwaltungsdienstleistungen.

Der Kläger A. unterzeichnete am 01.10.2007 zudem mit der Arbeitgeberin C. AG einen Arbeitsvertrag für die Stellung als Geschäftsführer mit einem fixen Jahresgehalt von CHF 200‘000.00 und einem Bonus. Der Arbeitsvertrag konnte jederzeit von beiden Parteien schriftlich unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden.

Weiter wurde am 21.08.2009 ein Aktionärsbindungsvertrag (ABV) zwischen den Aktionären der C. AG und der Beklagten, B. Holdings AG, abgeschlossen, in welchem der Kläger (inzwischen auch Aktionär der C. AG) als Geschäftsführer der C. AG eingesetzt wurde. Der ABV hatte u. a. zum Inhalt, dass eine Entlassung des Geschäftsführers ohne Grund einen Generalversammlungsbeschluss mit einer Mehrheit von 75 % erfordere.

Am 13.10.2009 wurde der Arbeitsvertrag des Klägers mit der C. AG mit sofortiger Wirkung gekündigt, und zwar mit der Begründung, er habe seine Pflichten ernsthaft verletzt.

Prozess-History

  • Tribunal de première instance
    • Das Arbeitsgericht Genf entschied mit Urteil vom 30.10.2012, dass die C. AG dem Kläger bis zum Ende der vertraglichen Kündigungsfrist das Gehalt sowie eine Entschädigung für seine sofortige und unrechtmässige Entlassung zu überweisen habe
  • Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève
    • Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde nach der Berufung am 20.06.2019 angepasst, indem die Höhe der zu zahlenden Beträge korrigiert wurde
  • Bundesgericht
    • Gegen den Entscheid der Vorinstanz erhoben sowohl Kläger als auch Beklagte eine Beschwerde in Zivilsachen
    • Die Beklagte machte mit ihrer Beschwerde u. a. geltend, dass die Vorinstanz bei der Festsetzung des Schadenersatzes eine fehlerhafte Auslegung des ABV vorgenommen habe. Die Vorinstanz hätte zu Unrecht angenommen, dass der ABV dem Kläger die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses mit der C. AG garantierte

Erwägungen

Garantie

Das BGer erwog, dass der erwähnte ABV tatsächlich eine Garantie zugunsten des Klägers enthalte, welche eine Entlassung des Klägers ohne triftigen Grund zu verhindern sollte.

Das BGer führte hiezu aus, dass der unter OR 111 zu subsumierende Garantievertrag verschiedene Erscheinungsformen habe und die im ABV enthaltene Klausel rechtlich als ein solcher Garantievertrag zu qualifizieren sei:

  • Bei der reinen Garantie stehe der Garant für einen vom konkreten Schuldverhältnis unabhängigen Erfolg ein
    • Mit diesem Vertrag solle eine Leistung gesichert werden, unabhängig davon, ob sie tatsächlich geschuldet sei
    • Die Verpflichtung gelte also auch für den Fall, dass die Schuldpflicht nie entstanden oder weggefallen sei
  • Das BGer präzisierte ferner, dass das Eigeninteresse des Garanten keine zwingende Voraussetzung für die Qualifikation eines Garantievertrages sei
    • Im konkreten Fall sei das Eigeninteresse dennoch gegeben, habe doch die Beklagte den ABV unterschrieben und sich dadurch dem Kläger gegenüber verpflichtet
  • Eine Garantie sei nicht ausschliesslich auf die Absicherung von Kaufverträgen beschränkt, sondern könne auch im Rahmen eines ABV vereinbart werden.

Die Beklagte machte schliesslich geltend, dass der ABV ein Arbeitsverhältnis nicht aufrechterhalten könne, wenn die im Arbeitsvertrag enthaltene Kündigungsfrist gewahrt worden sei.

  • Das BGer stellte diesbezüglich klar, dass ein Garantievertrag den Garanten lediglich dazu verpflichte, den Begünstigten bei Ausbleiben der Leistung des Dritten zu entschädigen, nicht jedoch die Erfüllung der Leistung als solche zu gewährleisten. Die Beklagte müsse den Kläger daher kraft ABV entschädigen.

Verpflichtung des Arbeitnehmers zum Halten von Aktien

Setze ein Arbeitsvertrag für die Stellung als Geschäftsleiter – wie hier des Klägers – das Halten von Aktien voraus und sehe der Arbeitsvertrag bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses ein Rückkaufrecht seitens der Gesellschaft vor, stellt sich die Frage nach der Bewertung der rückzukaufenden Aktien:

  • Könne kein tatsächlich übereinstimmender Wille der Parteien zum Zeitpunkt der Bewertung der Aktien festgestellt werden, habe das Gericht den objektiven Willen der Parteien nach dem Vertrauensprinzip zu bestimmen (vgl. OR 18)
  • Aus dem Zusammenhang zwischen der Stellung als Geschäftsführers und als Aktionär folge, dass der Wert der rückzukaufenden Aktien den Arbeitsbeitrag des Geschäftsleiters wiederspiegeln und somit für die Bewertung der Tag der Kündigung massgeblich sein soll

Der Gewinnherausgabeanspruch nach OR 423 Abs. 1 stütze sich auf eine andere Rechtsgrundlage als die Klage nach OR 678 Abs. 3, sodass beide Klagen selbständig und nicht subsidiär zueinander stehen würden.

Weiter führte die Beklagte eventualiter aus, dass die Ansprüche des Klägers besondere Vorteile umfassten, welche zu ihrer Gültigkeit in die Gesellschaftsstatuten der C. AG hätten aufgenommen werden müssen.

  • Das BGer entgegnete, dass der Kläger seine Ansprüche allein auf der Grundlage des ABV gegen die Beklagte geltend machte, nicht etwa gegen die C. AG, weshalb weder eine Verletzung von OR 627, OR 628, OR 635 und OR 642, noch eine Verletzung von HRegV 45 vorliege.

Ergebnis

Das BGer bestätigte nun den Vorrang einer ABV-Garantiebestimmung zugunsten eines vorgängig gekündigten Arbeitsverhältnisses.

Entscheid

  • Beide Beschwerden wurden (gemeinsam) abgewiesen.

Quelle

BGer 4A_450/2019 und 4A_460/2019 vom 18.05.2020

Art. 18 OR   D. Auslegung der Verträge, Simulation

D. Auslegung der Verträge, Simulation

1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.

2 Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.

Art. 111 OR B. Vertrag zu Lasten eines Dritten

B. Vertrag zu Lasten eines Dritten

Wer einem andern die Leistung eines Dritten verspricht, ist, wenn sie nicht erfolgt, zum Ersatze des hieraus entstandenen Schadens verpflichtet.

Art. 423 OR   B. Stellung des Geschäftsherrn / II. Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsführers

II. Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsführers

1 Wenn die Geschäftsführung nicht mit Rücksicht auf das Interesse des Geschäftsherrn unternommen wurde, so ist dieser gleichwohl berechtigt, die aus der Führung seiner Geschäfte entspringenden Vorteile sich anzueignen.

2 Zur Ersatzleistung an den Geschäftsführer und zu dessen Entlastung ist der Geschäftsherr nur so weit verpflichtet, als er bereichert ist.

Art. 424 OR   B. Stellung des Geschäftsherrn / III. Genehmigung der Geschäftsführung

III. Genehmigung der Geschäftsführung

Wenn die Geschäftsbesorgung nachträglich vom Geschäftsherrn gebilligt wird, so kommen die Vorschriften über den Auftrag zur Anwendung.

Art. 678 OR   E. Rückerstattung von Leistungen / I. Im Allgemeinen

E. Rückerstattung von Leistungen

I. Im Allgemeinen

1 Aktionäre und Mitglieder des Verwaltungsrates sowie diesen nahe stehende Personen, die ungerechtfertigt und in bösem Glauben Dividenden, Tantiemen, andere Gewinnanteile oder Bauzinse bezogen haben, sind zur Rückerstattung verpflichtet.

2 Sie sind auch zur Rückerstattung anderer Leistungen der Gesellschaft verpflichtet, soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen.

3 Der Anspruch auf Rückerstattung steht der Gesellschaft und dem Aktionär zu; dieser klagt auf Leistung an die Gesellschaft.

4 Die Pflicht zur Rückerstattung verjährt fünf Jahre nach Empfang der Leistung.

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