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Arbeitsrecht

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Abgeltung von Überzeit und Überstunden bei Kommunikationsdefiziten

Datum:
12.03.2021
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht
Stichworte:
Arbeitsrecht, Fälligkeit, Geltendmachung, Kommunikation, Überstunden, Überzeit
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

ArG 13 Abs. 2

Das Bundesgericht (BGer) erkannte im konkreten Fall 4A_403/2018 – kurz zusammengefasst – auf folgende Prinzipien in titulierter Sache:

Überzeit

  • Verbot des Verzichts auf Abgeltung
    • Auf eine Überzeit-Abgeltung kann – anders als bei Überstunden – nicht vertraglich verzichtet werden (vgl. ArG 13 Abs. 2)
  • Kompensation mit Freizeit
    • Eine Kompensation mit Freizeit im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer ist zulässig, weil damit nur eine andere Anordnung der Arbeits- und Ruhezeit vorgenommen wird
  • Form
    • Eine solche Kompensations-Vereinbarung ist an keine besondere Form gebunden
  • Kompensation ohne Abrede?
    • Besteht die Möglichkeit, eine Überzeitentschädigung durch Freizeit-Kompensation zu vermeiden, stellt sich die gleiche Problematik wie bei der Überstunden-Arbeit

Überstunden

  • Hinsichtlich der Abgeltung von Überstunden ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Überstunden vom Arbeitgeber (ausdrücklich) angeordnet oder auf Eigeninitiative des Arbeitnehmers geleistet wurden
    • Entscheidend:
      • Objektive Notwendigkeit der Überstunden für den Arbeitgeber
      • Arbeitnehmer-Obliegenheit, Überstunden, die er ohne Wissen des Arbeitgebers geleistet hat, innert nützlicher Frist dem Arbeitgeber anzuzeigen,
        • damit dieser folgendes veranlassen kann:
          • Organisatorische Massnahmen zur Verhinderung künftiger Mehrarbeit
          • Genehmigung der Überstunden genehmigen kann
    • Verletzung der Obliegenheit
      • Kommt der Arbeitnehmer seiner Informationsobliegenheit nicht nach, riskiert er, sofern und soweit nicht besondere Umstände vorliegen, dass sein Anspruch verwirkt
    • Arbeitgeberkenntnis
      • Falls der Arbeitgeber weiss oder wissen musste, dass der Arbeitnehmer Arbeit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbringt, kann der Arbeitnehmer aus dem Stillschweigen des Arbeitgebers schliessen, dass er die Mehrarbeit genehmigt.

Quelle

BGer 4A_403/2018 vom 11.03.2019

Ein Überblick

Mehrarbeit + Abgrenzungen

  • Leistung von Mehrarbeit
    • Arbeitnehmer sind zur Mehrarbeit verpflichtet, wenn diese notwendig ist
  • Überstunden
    • Von Überstunden wird gesprochen, wenn die vertraglich festgelegte oder die im Betrieb übliche Arbeitszeit überschritten wird
  • Überzeit
    • Überzeit sind Überstunden, die die gesetzliche Höchstarbeitszeit übersteigen

Überzeit

  • Grundsätze
    • Wird die wöchentliche gesetzliche Höchstarbeitszeit (je nach Branche 45 bis 50 Stunden) überschritten, wird von Überzeit gesprochen:
      • Maximum je Tag: nicht mehr als zwei Stunden
      • Maximum je Kalenderjahr: nicht mehr als 170 Stunden (bei wöchentlicher Arbeitszeit von 45 Stunden) bzw. 140 Stunden (bei 50 Stunden)
      • Entschädigung durch einen Lohnzuschlag von mindestens 25 %, wenn sie nicht innert bestimmter Frist durch Freizeit ausgeglichen wird
  • Vgl. ferner Überzeit

Überstunden

  • Grundsatz
    • Wird die vertraglich festgelegte Normalarbeitszeit bis zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit (je nach Branche 45 bis 50 Stunden) überschritten, spricht man von Überstunden
  • Leistungspflicht unter Voraussetzungen
    • Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Überstunden zu leisten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
      • Notwendigkeit
      • Keine physische und psychische Überforderung
      • Zumutbarkeit
      • Einhaltung der Arbeits- und Ruhzeiten
  • Zuschlag
    • Die Überstunden müssen mit einem Zuschlag von 25 % entlöhnt werden
    • Zulässig ist eine schriftliche Abrede des Inhalts:
      • Überstundenentschädigung ohne Zuschlag
        • Der Ausschluss hat schriftlich zu erfolgen
      • Überstundenentschädigung mit einem niedrigeren als 25 %-igen Zuschlag
  • Kompensation
    • Anstelle einer Überstundenauszahlung kann die Überstundenarbeit auch durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgeglichen werden
    • Dies setzt jedoch die Zustimmung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber voraus
  • Kadermitarbeiter
    • Bei Kadermitarbeitern ist oder kann die Arbeitszeit meistens nicht exakt nach Stunden definiert werden
    • In der Praxis geht man davon aus, dass die Leistung eines höheren Pensums durch einen höheren Lohn abgegolten wird, wobei dies mit Vorteil vertraglich festgehalten werden sollte
  • Vgl. ferner Überstunden

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