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Gesellschaftsrecht / Zivilprozessrecht

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Organisationsmängelverfahren: Streitwert und sachliche Zuständigkeit

Datum:
27.04.2021
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Gesellschaftsrecht
Stichworte:
Organisationsmangel
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

OR 731b und ZPO 91 Abs. 2

Bei einem Organisationsmängelverfahren im Sinne von OR 731b bemisst sich der Streitwert stets nach folgenden Kriterien:

  • nach Massgabe des Gesamtwerts der betroffe­nen Gesellschaft
    • d.h. nicht nach dem konkreten wirt­schaftlichen (Individual-)Interesse der gesuchstellenden Partei,
      • d.h. nicht etwa anhand
        • der behaupte­ten Forderung oder
        • des Gesellschaftsanteils der Gesuchstellerin
    • d.h. im Unterschied zu einem Wiedereintragungsverfahren im Sinne von HRegV 164

Der Streitwert ist stets pauschalisiert zu bestimmen, nämlich:

  • gestützt auf den höchsten bekannten Wert aus den drei relevanten Kenngrössen von
    • (i) nominel­lem Grundkapital,
    • (ii) tatsächlichem Jahres­umsatz und
    • (iii) tatsächlich vorhandenen Ak­tiva

Weiter besteht eine natürliche Vermutung, dass hinsichtlich der betroffenen Gesellschaft der Betrag von CHF 30‘000 erreicht bzw. überstiegen wird bezüglich:

  • des letzten Jahresumsatzes
  • der noch vorhan­denen Vermögenswerte.

Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Urteil vom 11.12.2020
LF200049
ZR 120 (2021), Nr. 14, S.38 ff.

Art. 731b OR

1 Ein Aktionär oder ein Gläubiger kann dem Gericht bei folgenden Mängeln in der Organisation der Gesellschaft beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen:

Der Gesellschaft fehlt eines der vorgeschriebenen Organe.

Ein vorgeschriebenes Organ der Gesellschaft ist nicht richtig zusammengesetzt.

Die Gesellschaft führt das Aktienbuch oder das Verzeichnis über die ihr gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen nicht vorschriftsgemäss.

Die Gesellschaft hat an ihrem Sitz kein Rechtsdomizil mehr.509

1bis Das Gericht kann insbesondere:

der Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist ansetzen, binnen deren der rechtmässige Zustand wiederher­zustellen ist;

das fehlende Organ oder einen Sachwalter ernennen;

die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen.510

2 Ernennt das Gericht das fehlende Organ oder einen Sachwalter, so bestimmt es die Dauer, für die die Ernennung gültig ist. Es verpflichtet die Gesellschaft, die Kosten zu tragen und den ernannten Personen einen Vorschuss zu leisten.

3 Liegt ein wichtiger Grund vor, so kann die Gesellschaft vom Gericht die Abberufung von Personen verlangen, die dieses eingesetzt hat.

4 Die zur Liquidation der Gesellschaft nach den Vorschriften über den Konkurs eingesetzten Liquidatoren haben, sobald sie eine Überschul­dung feststellen, das Gericht zu benachrichtigen; es eröffnet den Konkurs.511

509 Fassung gemäss Ziff. II des BG vom 21. Juni 2019 zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke, in Kraft seit 1. Jan. 2021, Ziff. 4 in Kraft ab 1. Mai 2021 (AS 2019 31612020 957BBl 2019 279).

510 Eingefügt durch Ziff. I 1 des BG vom 21. Juni 2019 zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke, in Kraft seit 1. Nov. 2019 (AS 2019 3161BBl 2019279).

511 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 17. März 2017 (Handelsregisterrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2021 (AS 2020957BBl 2015 3617).

Art. 91 ZPO   Grundsatz

1 Der Streitwert wird durch das Rechtsbegehren bestimmt. Zinsen und Kosten des laufenden Verfahrens oder einer allfälligen Publikation des Entscheids sowie allfäl­lige Eventualbegehren werden nicht hinzugerechnet.

2 Lautet das Rechtsbegehren nicht auf eine bestimmte Geldsumme, so setzt das Gericht den Streitwert fest, sofern sich die Parteien darüber nicht einigen oder ihre Angaben offensichtlich unrichtig sind.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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