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Strafrecht / Verkehrsrecht

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Krasse Verkehrsregelverletzung

Datum:
31.01.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Strafrecht
Stichworte:
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

SVG 90 Abs. 2; StGB 49 Abs. 1

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft March wirft X.________ vor, am 18.09.2013 um 07:51 Uhr in Altendorf auf der Autobahn A3 in Fahrtrichtung Chur mit seinem Motorrad überschritten zu haben:

  • die im Baustellenbereich signalisierte Höchstgeschwindigkeit
    • von 80 km/h um 69 km/h und
  • (anschliessend) die allgemeine Höchstgeschwindigkeit
    • von 120 km/h um 59 km/h.

History

  • Verurteilung von X.________ durch das Strafgericht Schwyz wegen
    • vorsätzlicher qualifizierter grober Verletzung der Verkehrsregeln und
    • vorsätzlicher grober Verletzung der Verkehrsregeln
    • zu 12 Monaten Freiheitsstrafe und
    • 70 Tagessätzen zu Fr. 130.– Geldstrafe,
    • beides bedingt, sowie
    • zu Fr. 2’275.– Busse.
  • Auf Berufung von X.________ hin reduzierte das Kantonsgericht Schwyz
    • die bedingte Geldstrafe auf 56 Tagessätze und
    • die Busse auf Fr. 1’820.–;
    • im Übrigen wurde das erstinstanzliche Urteil bestätigt.
  • Mit Beschwerde in Strafsachen rief X.________ das Bundesgericht mit den Anträgen an,
    • er sei vom Vorwurf der vorsätzlichen qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen und
    • wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 100.– zu verurteilen;
    • eventualiter sei die Sache an das Kantonsgericht zurückzuweisen,
      • zur Neufestsetzung der Busse sowie
      • der Verfahrenskosten.

Erwägungen des Bundesgerichts

Gemäss SVG 90 Abs. 3 macht sich strafbar, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich

  • durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit,
  • waghalsiges Überholen oder
  • Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen.

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind die Normen über die Geschwindigkeit

  • grundlegende Verkehrsregeln;
  • wesentlich für die Sicherheit des Strassenverkehrs.

Das in SVG 90 Abs. 3 vorausgesetzte Risiko bezieht sich auf

  • einen Unfall mit Todesopfern oder Schwerverletzten;
  • ein qualifiziertes Ausmass;
  • einen vergleichsweise nahe liegenden Erfolgseintritt;
  • ein «hohes» Risiko;
  • eine höhere als die in SVG 90 Abs. 2 geforderte «ernstliche» Gefahr;
  • die Gefahr analog der Lebensgefährdung nach StGB 129, die unmittelbar, aber nicht unausweichlich ist.

Weil bereits die erhöhte abstrakte Gefahr im Sinne von SVG 90 Abs. 2 die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung voraussetzt, ist für die Erfüllung von Abs. 3 zu verlangen:

  • die besonders naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung;
  • die Möglichkeit einer Gefahrenverwirklichung – in Anlehnung an SVG 90 Abs. 2 –
    • aufgrund besonderer Umstände, wie
      • Tageszeit
      • Verkehrsdichte
      • Sichtverhältnisse
      • usw.
    • aufgrund besonderer Risikointensität, wie
      • Eintritt einer konkreten Gefahr oder
      • naheliegende Verletzung
    • letztlich nur vom Zufall abhängig, dass sich diese nicht verwirklicht.

Wird eine krasse Verkehrsregelverletzung im Sinne von SVG 90 Abs. 3 bzw. 4 objektiv bejaht, folgt daraus, dass

  • auch ein dadurch geschaffenes hohes Risiko von Unfällen mit Todesopfern oder Schwerverletzten angenommen werden muss;
  • angesichts des Begriffs «krass» eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit nur dann unter SVG 90 Abs. 3 fallen kann, wenn sie im Vergleich mit anderen Verkehrsregelverletzungen einen Ausnahmefall darstellt.

Eine «besonders» krasse Verkehrsregelverletzung ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn die gefahrene Geschwindigkeit

  • unterhalb der Schwellenwerte von SVG 90 Abs. 4 liegt;
  • im betreffenden Strassenabschnitt nicht gänzlich beispiellos erscheint.

Damit SVG 90 Abs. 3 erfüllt ist, muss die Geschwindigkeitsüberschreitung daher im Vergleich mit anderen Missachtungen der Höchstgeschwindigkeit besonders gefährlich sein.

Der subjektive Tatbestand von SVG Art. 90 Abs. 3 erfordert

  • Vorsatz bezüglich der Verletzung einer elementaren Verkehrsregel und der Risikoverwirklichung, wobei Eventualvorsatz genügt.

Weil ein Fahrzeuglenker durch sein gewagtes Fahrverhalten oft selbst zum Opfer zu werden droht, darf nicht leichthin angenommen werden,

  • er habe sich gegen das geschützte Rechtsgut entschieden und
  • nicht im Sinne der bewussten Fahrlässigkeit auf einen guten Ausgang vertraut.

Für das Bundesgericht waren die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz verbindlich, so auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Baustellenbereich mit einer massgebenden Geschwindigkeit von 149 km/h unterwegs war.

Es kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass er damit gegen eine elementare Verkehrsregel verstossen hat. Die Vorinstanz verletzt auch kein Bundesrecht, wenn sie erwägt, der Beschwerdeführer habe die besonders nahe liegende Gefahr eines Unfalls mit Todesopfern oder Schwerverletzten im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG geschaffen.

Konkret lag daher eine besondere Gefahrensituation vor, welche

  • vonseiten der Verkehrsteilnehmer eine erhöhte Vorsicht sowie notorischerweise eine Temporeduktion erforderte;
  • eine Geschwindigkeit von knapp 150 km/h unter den gegebenen Umständen erscheinen lässt, als
    • besonders krass und
    • im betreffenden Strassenabschnitt beispiellos.

Das Verhalten von X.________ war auch aus folgenden Gründen besonders gefährlich:

  • feuchte Fahrbahn;
  • reges Verkehrsaufkommen
  • Massenkarambolage-Folge beim Sturz von X.________.

Unbeachtlich blieben die weiteren Vorbringen wie die Frage,

  • ob die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h Gültigkeit hatte – womit ein Fall nach Art. 90 Abs. 4 SVGvorläge -, oder
  • ob daher von einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h auszugehen war.

Mit der Vorinstanz ging das Bundesgericht davon aus, dass rechtsprechungsgemäss auch rechtswidrig aufgestellte Höchstgeschwindigkeitssignale grundsätzlich zu beachten sind.

Trotz aller Bemühungen des Rechtsvertreters von X.________ war der Beschwerde ans Bundesgericht kein Erfolg beschieden.

Entscheid des Bundesgerichts

Die Beschwerde des X.________ wurde kostenpflichtig abgewiesen.

BGer 6B_1349/2017 vom 02.10.2018

Art. 90 SVG

1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.

2 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt.

3 Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren wird bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen.

4 Absatz 3 ist in jedem Fall erfüllt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wird um:

  1. mindestens 40 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 30 km/h beträgt;
  2. mindestens 50 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 50 km/h beträgt;
  3. mindestens 60 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt;
  4. mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt.

5 Artikel 237 Ziffer 2 des Strafgesetzbuches210 findet in diesen Fällen keine Anwendung.

3. Konkurrenz

Art. 49 StGB

1 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzun­gen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.

2 Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären.

3 Hat der Täter eine oder mehrere Taten vor Vollendung des 18. Al­ters­jahres begangen, so dürfen diese bei der Bildung der Gesamtstrafe nach den Absätzen 1 und 2 nicht stärker ins Gewicht fallen, als wenn sie für sich allein beurteilt worden wären.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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