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Steuern Privatpersonen / Ehetrennung

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Getrennte Ehegatten-Besteuerung: Voraussetzungen und Beweislast

Datum:
12.04.2022
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Eherecht / Eheschliessung / Ehe
Stichworte:
Doppelbesteuerung
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

DBG; StHG; BL / SO

Sachverhalt

A.A.________ meldete sich im Jahre 2015 aus der Gemeinde U.________ (SO) ab und per 01.07.2015 in der Gemeinde V.________ (BL) an.

Gemäss Angaben der Einwohnerkontrolle V.________ gab A.A.________ bei der Anmeldung in V.________ an, er habe sich am 16.10.2014 von seiner Ehefrau freiwillig getrennt und lebe in V.________ in einem Konkubinat mit B.________.

Seine Ehefrau B.A.________ blieb im vormals gemeinschaftlichen Haus in U.________ (SO) wohnhaft.

Die Ehegatten trafen – soweit ersichtlich – keine Anstalten, ihre Ehe trotz der räumlichen Trennung auch wirtschaftlich aufzulösen.

Prozess-History

Siehe Bundesgerichtsurteil, lit. B bis F.

Erwägungen

Bundesgerichtlicher Prüfmodus

Wenn der Kanton,

  • dessen Veranlagung bereits rechtskräftig ist und
  • für den die Bindungswirkung nicht gilt,
  • die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz bestreitet,

kommt das Bundesgericht (BGer) nicht umhin,

  • den Sachverhalt frei zu prüfen und
  • das Novenverbot zu relativieren.

Im konkreten Fall war deshalb vom BGer frei zu prüfen:

  • der Sachverhalt bezüglich Gemeinschaftlichkeit der Mittel für Wohnung und Unterhalt
  • unter Berücksichtigung der vom Steueramt des Kantons Solothurn in seiner Vernehmlassung vorgelegten Noven.

Auswirkungen der Einheitsbesteuerung von Ehegatten

Die Besteuerung des Ehepaars als Einheit

  • betrifft
    • die Bemessungsgrundlage;
    • die Steuerpflicht;
  • bewirkt eine gegenseitige Wechselwirkung.

Voraussetzungen für eine separate Veranlagung der Ehegatten

Eine separate Veranlagung der Ehegatten setzt voraus:

  • eine dauernde Trennung und
  • damit
    • eine Aufhebung des gemeinsamen Haushalts bzw.
    • ein Getrenntleben im Sinne von ZGB 175 / 176 bzw. ZPO 275.

Keine getrennte Ehegattenbesteuerung nach DBG

Keine getrennte Ehe im Sinne von DBG 9 Abs. 1 liegt vor, wenn die Ehegatten

  • an der ehelichen Gemeinschaft festhalten;
  • nur über getrennte Wohnsitze bzw. Wohnstätten verfügen, gleich einer «Wochenendehe».

Ziffernmässige Trennung der Mittel für Wohnung, Lebensunterhalt und Unterstützung

Weiter erforderlich ist, dass

  • keine Gemeinschaftlichkeit der Mittel für Wohnung und Lebensunterhalt besteht;
  • sich die Unterstützung des einen an den anderen Ehegatten in ziffernmässig bestimmten Beiträgen erschöpft.

Ehe als wirtschaftliche Einheit?

Ob die Ehe als wirtschaftliche Einheit zu werten ist, hängt ab:

  • von der Art der Mittelverwendung;
  • wie sie objektiv feststellbar ist;
  • nicht aber von den subjektiven Absichten der Ehegatten.

Ziele des Gesetzgebers

Nach dem Willen des Gesetzgebers gilt als

  • Regelfall

    • die gemeinsame Veranlagung von Eheleuten
  • Ausnahme

    • die getrennte Besteuerung der Ehegatten,

was zu berücksichtigen ist.

Beweislast

Wer sich auf die getrennte Besteuerung beruft, muss die Veranlagungsausnahme von rechtlich oder tatsächlich getrennter Ehe nachweisen:

  • Ehegatte(n) oder
  • Steuerbehörden.

Reflex der DBG-Regeln auf Wohnsitzkantone, zur Vermeidung einer interkantonalen Doppelbesteuerung

Gemäss den im Rahmen der direkten Bundessteuer analog anwendbaren Regeln zur Vermeidung einer interkantonalen Doppelbesteuerung

  • ist jeder Ehegatte in seinem Wohnsitzkanton zu besteuern,
  • sind die Steuerfaktoren beider Ehegatten zusammenzurechnen und
  • ist zwischen den beteiligten Kantonen eine Steuerausscheidung vorzunehmen.

Aufhebung des Doppelbesteuerungstatbestands

Zur Behebung der bestehenden Doppelbesteuerung betreffend die kantonalen Steuern ist bei getrennten Hauptsteuerdomizilen zwischen den betroffenen Kantonen aufzuteilen (Repartition):

  • das den beiden Eheleuten zufliessende Erwerbseinkommen und
  • das ihnen gehörende bewegliche Vermögen (inkl. Erträgen).

Dabei sind die Faktoren gestützt auf die Ehegattenbesteuerung zusammenzuzählen.

Ausscheidensregeln

Steuerhoheit

  • In der Regel besteht diese Ausscheidung in einer
    • quotenmässigen, zumeist hälftigen Teilung der Steuerhoheit.

Zuweisungen

  • Die Steuerhoheit umfasst
    • alle der Besteuerung unterliegenden Elemente
      • mit Ausnahme
        • ausserkantonaler Geschäftsbetriebe;
        • Betriebsstätten;
        • ausserkantonalen Grundeigentums.

Hälftige Teilung nachvollziehbar

Eine hälftige Teilung rechtfertigt sich

  • namentlich für weitgehend getrennt lebende Ehegatten,
    • welche die Kosten für Lebensunterhalt und Wohnung aus gemeinsamen Mitteln bestreiten, oder
    • falls einer der Gatten über kein Erwerbseinkommen verfügt.

Ergebnis

  • Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Kanton Basel-Landschaft erweist sich als begründet und die angefochtenen Urteile des Kantonsgerichts vom 13. Mai 2020 sind aufzuheben. Die Beschwerde gegen den Kanton Solothurn ist abzuweisen und es besteht kein Anlass, diesem die Kosten aufzuerlegen.
  • Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Kanton Basel-Landschaft aufzuerlegen, der in seiner Eigenschaft als Abgabegläubiger Vermögensinteressen im Sinne von Art. 66 Abs. 4 BGG verfolgt. Er hat ausserdem die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
  • Zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 68 Abs. 5 BGG).

Entscheid

  1. Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer 2016 wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, 810 19 334 vom 13. Mai 2020 wird aufgehoben. Die Steuerverwaltung Basel-Landschaft wird angewiesen, die Beschwerdeführer für die direkte Bundessteuer 2016 im Sinne der Erwägungen gemeinsam als Ehegatten neu zu veranlagen.
  2. Die Beschwerde betreffend die Staats- und Gemeindesteuern 2016 wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, 810 19 333 vom 13. Mai 2020 wird aufgehoben. Die Steuerverwaltung Basel-Landschaft wird angewiesen, den Beschwerdeführer für die Staats- und Gemeindesteuer 2016 im Sinne der Erwägungen als Ehegatte gemeinschaftlich neu zu veranlagen.
  3. Die Beschwerde gegen den Kanton Solothurn wird abgewiesen.
  4. Die Gerichtskosten von Fr. 2’000.– werden dem Kanton Basel-Landschaft auferlegt.
  5. Der Kanton Basel-Landschaft hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von Fr. 2’500.– zu entrichten.
  6. Zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolge der beiden kantonalen Verfahren wird die Angelegenheit an das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, zurückgewiesen.
  7. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

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