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Immobiliarsachenrecht / Beurkundungsrecht / Notare / Staatshaftung

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Beurkundungsfehler des Notars: Haftung des Kantons

Datum:
19.02.2024
Rubrik:
Gerichtsentscheide / Rechtsprechung
Rechtsgebiet:
Sachenrecht / Immobiliarsachenrecht, Notariatsrecht / Beurkundungsrecht, Staatshaftung
Thema:
Beurkundungsfehler des Notars
Stichworte:
Haftung des Kantons, Makler, Notar, Vertragsentwürfe
Entscheid:
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden Urteil U 2020 55 vom 06.06.2023
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Sachverhalt

Ein Ehepaar verkaufte seine StWE-Wohnung im Kanton Graubünden für CHF 490’000.

Die Vertragsentwürfe sahen vor, dass der Kaufpreis via Notar bezahlt wird.

Unmittelbar vor der öffentlichen Beurkundung bekam der Notar von der Verkaufsmaklerin die Mitteilung, der Kaufpreis sei ihr bereits bezahlt worden.

Der Notar änderte den Kaufvertrags-Entwurf ab und das Verkäufer-Ehepaar unterzeichnete, ohne über die Auswirkungen der Änderung aufgeklärt worden zu sein.

Die Maklerin floh mit der Kaufpreissumme, sodass das Verkäuferpaar ohne Geld und ohne StWE-Wohnung da stand. Es forderte daher vom Kanton Graubünden Schadenersatz aus ungenügender Aufklärung durch die Urkundsperson.

Das Gericht zieht in Erwägung:

«1.1 Nach Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Staatshaftung (SHG; Staatshaftungsgesetz; BR 170.050) i.V.m. Art. 63 Abs. 1 lit. c des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; BR 370.100) beurteilt das Verwaltungsgericht im Klageverfahren Entschädigungsansprüche aus dem Staatshaftungsgesetz. Gemäss Art. 43 Abs. 1 Ziff. 1 des Notariatsgesetzes (NotG; BR 210.300) haftet der Kanton Graubünden für Schäden, welche im Rahmen der notariellen Tätigkeit durch patentierte Notariatspersonen und Grundbuchverwalterinnen und -verwalter widerrechtlich verursacht worden sind. Im Übrigen richtet sich die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit nach den Bestimmungen des kantonalen Staatshaftungsgesetzes (Art. 43 Abs. 2 NotG). Das angerufene Verwaltungsgericht ist daher sowohl örtlich, sachlich als auch funktional zuständig für die Beurteilung der vorliegend geltend gemachten Ansprüche der Kläger gegenüber dem Beklagten im Umfang von insgesamt CHF 490’000.00 nebst Zins zu 5 % ab dem 4. Juni 2019.
1.2 Gemäss Art. 64 VRG wird die Klage durch Einreichung beim Verwaltungsgericht rechtshängig. Nach Art. 65 Abs. 1 VRG sind dabei vorrangig die Bestimmungen über das Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht (und somit auch Art. 38 VRG bezüglich der Formerfordernisse an Rechtschriften [mit Rechtsbegehren, Sachverhalt und Begründung]; vgl. aber auch Art. 221 Abs. 1 lit. b, d und e der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO; SR 272] i.V.m. Art. 65 Abs. 2 VRG) anwendbar. Die Staatshaftungsklage vom 4. Juni 2019 erfüllt diese Formerfordernisse. Die weiteren Prozessvoraussetzungen geben keinen Anlass zu weiteren Bemerkungen (vgl. z.B. Art. 50 VRG i.v.m. Art. 65 Abs. 1 VRG bzw. Art. 59 Abs. 2 ZPO i.V.m. Art. 65 Abs. 2 VRG). Auf die Klage ist somit einzutreten.
2.1 Gemäss Art. 6 Abs. 2 SHG haben die Parteien dem Gericht den Sachverhalt des Rechtsstreits darzulegen, womit im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren betreffend eine Staatshaftung im Ergebnis die Verhandlungsmaxime gemäss Art. 55 Abs. 1 ZPO zur Anwendung gelangt (vgl. dazu VGU U 15 91 vom 13. Juni 2017 E.1g; Botschaft der Regierung an den Grossen Rat zur Totalrevision des Gesetzes über die Verantwortlichkeit der Behörden und Beamten und die Haftung der öffentlich-rechtlichen Körperschaften vom 29. Oktober 1944, Heft Nr. 11/2006 – 2007, S. 1368 f.). Denn als lex specialis geht Art. 6 Abs. 2 SHG den (allgemeinen) Verfahrensvorschriften für ein Verfahren vor Verwaltungsgericht, insbesondere dem Untersuchungsgrundsatz nach Art. 11 VRG bzw. den auf das Verfahren der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde anwendbaren Vorschriften nach Art. 38 ff. i.V.m. Art. 65 Abs. 1 VRG, vor. Entsprechende Tatsachenbehauptungen sind zudem auch rechtzeitig geltend zu machen (vgl. Art. 229 ZPO i.V.m. Art. 65 Abs. 2 VRG). Darüber hinaus gilt auch die übliche Beweislastverteilung gemäss materiell anzuwendendem Recht bzw. Art. 8 ZGB, wonach derjenige das Vorhandensein einer Tatsache zu beweisen hat, wer aus ihr Rechte ableitet. Die Beweislast für haftungsbegründende Tatsachen liegt demnach beim Kläger (siehe dazu Jungo, Zürcher Kommentar, Zivilgesetzbuch, Art. 8 ZGB Beweislast, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2018, Rz. 401; Plüss in: Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungs-rechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014, § 7 Rz. 158 f; BGE 146 III 14 E.5.1; Urteil des Bundesgerichts 4A_174/2017 vom 1. September 2017 E.4.1).
2.2 Hinzu kommt, dass bezüglich der notariellen Tätigkeit gemäss einem in Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich anerkannten Erfahrungssatz angenommen werden darf, dass Berufsangehörige mit staatlichem Fähigkeitsausweis und Zulassung (vgl. dazu Art. 1 Abs. 1 lit. c und Art. 19 Abs. 2 und 3 NotG sowie auch Art. 139 des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch [EGzZGB; BR 210.100]) ihre beruflichen Sorgfaltspflichten und vorliegend insbesondere ihre Ermittlungs- und (Rechts-) Belehrungspflicht im Sinne von Art. 24 NotG erfüllen (siehe Urteil des Bundesgerichts 5A_672/2012 vom 3. April 2013 E.9.3.2 m.H.a. 5P.347/2004 vom 11. Januar 2005 E.2.1).
3. Art. 43 Abs. 1 NotG statuiert in Übereinstimmung mit Art. 3 SHG eine Kausalhaftung, welche prinzipiell kein Verschulden voraussetzt. Gemäss Art. 43 Abs. 2 NotG richtet sich die übrige vermögensrechtliche Verantwortlichkeit nach den Bestimmungen des kantonalen Staats-haftungsgesetzes. Art. 1 Abs. 4 SHG verweist auf Art. 41 ff. OR als ergänzendes (kantonales) Recht, soweit das Staatshaftungsgesetz keine Vorschrift enthält. Das verantwortliche Gemeinwesen, vorliegend der Kanton Graubünden, haftet also für den Schaden, welcher eine patentierte Notariatsperson einem Dritten bei der Ausübung einer dienstlichen bzw. im Rahmen der notariellen Tätigkeit (durch eine Handlung oder Unterlassung) widerrechtlich zufügt.
4. Die Kläger machen vorliegend den entgangenen Kaufpreis geltend. Dabei handelt es sich um einen Vermögensschaden, welcher keine absoluten Rechtsgüter wie Leib und Leben oder das Eigentum tangiert. Dementsprechend ist gemäss der bei Ansprüchen nach Art. 41 OR ebenfalls massgebenden Rechtsprechung zum Erfordernis eines Handlungs-/Verhaltensunrechts eine entsprechende gesetzliche Schutznorm notwendig, welche die Geschädigten vor einem solchen Schaden bewahren soll (vgl. BGE 146 IV 211 E.3.2, 141 III 527 E.3.2, 132 II 449 E.3.2 f.; Urteile des Bundesgerichts 6B_1202/2019 vom 9. Juli 2020 E.3.2, 2C_816/2017 vom 8. Juni 2018 E.3.1 ff.; siehe auch VGU U 16 11 vom 15. März 2019 E.3, U 14 74 vom 10. Dezember 2018 E.5.1; Rey/Wildhaber, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 5. Aufl., Zürich 2018, Rz. 166 ff. m.H.). Das heisst, eine blosse Vermögensschädigung ohne gleichzeitigen Eingriff in ein absolutes Recht ist nur widerrechtlich, wenn sie auf der Verletzung einer Amtspflicht beruht, die dem Schutz vor solchen Schädigungen dient. Dabei stellt allerdings nicht jede noch so geringfügige Amtspflichtverletzung eine haftungsbegründende Widerrechtlichkeit dar; vielmehr ist erforderlich, dass eine für die Ausübung der amtlichen Funktion wesentliche Pflicht betroffen ist (vgl. BGE 132 II 305 E.4.1). Haftungsbegründend ist lediglich eine unentschuldbare Fehlleistung, die einem pflichtbewussten Beamten nicht unterlaufen wäre (vgl. BGE 132 II 449 E.3.2 f, 123 II 577 E.4d/dd). Neben dem Schaden ist also auch dessen Verursachung durch eine patentierte Notariatsperson oder Grundbuchverwalterinnen bzw. Grundbuch-verwalter, welche notarielle Aufgaben erfüllen, die Widerrechtlichkeit der Schädigung sowie ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen der hoheitlichen Handlung oder Unterlassung und dem eingetre-tenen Schaden vorausgesetzt. Die Haftung für eine Unterlassung setzt eine Pflicht zum Handeln voraus, welche sich aus einer entsprechenden Schutznorm zugunsten der geschädigten Person ergibt (vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_816/2017 vom 8. Juni 2018 E.3.1 ff., 2C_1059/2014 vom 25. Mai 2016 E.5.1 ff., 8C_900/2013 vom 5. Mai 2014 E.4.2; vgl. zum Ganzen Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Zürich/St. Gallen 2020, Rz. 2101 ff. und Mayhall, Aufsicht und Staatshaftung, Diss., Zürich/Basel/Genf 2008, S. 226 ff.).
5. Im Rahmen der bundesrechtlichen Minimalanforderungen sind die Kantone gemäss Art. 55 des Schlusstitels zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (SchlT ZGB; SR 210) befugt, zu bestimmen, in welcher Weise auf ihrem Gebiet die öffentliche Beurkundung hergestellt wird (siehe Schmid, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 5. Aufl., Basel 2015, Art. 55 SchlT Rz. 4 ff.; BGE 133 I 259 E.2.1 m.H.a. 106 II 146 E.1, BGE 99 II 159 E.2). Gemäss Art. 24 NotG hat die Notariatsperson ihre Amtsgeschäfte sorgfältig vorzubereiten und auszuführen (Abs. 1). Sie hat die Interessen der Beteiligten gleichmässig und objektiv zu wahren und sorgt für die Einhaltung von Treu und Glauben (Abs. 2). Die Notariatsperson hat die Vorstellungen und Absichten der Beteiligten zu ermitteln, sie über Inhalt und erkennbare Tragweite des Geschäftes zu belehren sowie auf die Beseitigung von Widersprüchen oder Unklarheiten hinzuwirken. Sie darf die freie Entscheidung der Beteiligten nicht beeinflussen (Abs. 3). Die Verletzung einer bestehenden (Rechts-)Belehrungspflicht im Rahmen der notariellen Tätigkeit kann eine vermögensrechtliche Verantwortlichkeit nach sich ziehen (siehe PKG 1998 Nr. 7 E.1a S. 28 m.H.a. Brückner, Schweizerisches Beurkundungs-recht, Zürich 1993, Rz. 611).
6. In materieller Hinsicht gilt es nachfolgend die einzelnen Haftungsvoraus-setzungen eines eingetretenen und quantifizierbaren Schadens, der Widerrechtlichkeit sowie der Kausalität zwischen Schaden und dem Verhalten der dafür verantwortlichen Person zu prüfen und gerichtlich zu würdigen.

7. Widerrechtlichkeit

7.1 Eine Handlung ist widerrechtlich, wenn sie gegen ein Gebot oder Verbot der Rechtsordnung verstösst, welches dem Schutz des verletzten Rechtsguts dient.
7.1.1 Die Kläger werfen Notar M._____ vor, er habe aus verschiedenen Gründen die gebührende Sorgfalt im Sinne von Art. 24 NotG nicht walten lassen. So habe er die sorgfältige Vorbereitung und Ausführung missen lassen, indem er am Tag der Beurkundung den Vertrag abgeändert habe und der beurkundete Vertrag nicht mehr den an sich sorgfältig vorbereiteten Entwürfen entsprochen habe. Der Entwurf vom 16. April 2019 sei ihm ausdrücklich als gut bestätigt worden. Am 3. Juni 2019, am Tag der Beurkundung, sei eine komplett neue Version des Vertrags zustande gekommen. Der beurkundete Vertrag sei nicht sorgfältig vorbereitet gewesen. Ausserdem seien die Kläger als Verkäufer nicht dabei gewesen, als der Notar mutmasslich eine Besprechung mit den Käufern gehabt habe, wobei er mutmasslich erfahren habe, dass die Käufer Herrn J._____ längst CHF 490’000.00 überwiesen hätten – die Hälfte der Summe in bar und in fremden Währungen. Dies alles sei anlässlich der Beurkundung nicht besprochen worden, die Kläger seien darüber erst später informiert worden. Die Kläger bringen weiter vor, dass wenn sie davon gewusst hätten, hätten sie das Vertrauen in das Geschäft und die Beteiligten verloren und zumindest die Urkunde nicht unterzeichnet. Die Besprechung der jüngsten Änderungen hätte nach Ansicht der Kläger zumindest eine Besprechung der Motive erfordert, welche nicht nur mit einer Partei hätte stattfinden dürfen. Die Kläger schlussfolgern, dass die Beurkundung vom 3. Juni 2019 nicht sorgfältig ausgeführt worden sei und dass die Einheit des Aktes (Art. 33 NotG) nicht eingehalten worden sei.
7.1.2 Die Beklagte erwidert darauf, dass die Kläger selbst bestätigt hätten, dass die Entwürfe sorgfältig verfasst worden seien. Die Vorgaben habe Notar M._____ von der Maklerin der Kläger erhalten. Letzte Änderungen habe die Maklerin mit Mail vom 2. Juni 2019 veranlasst. Notar M._____ habe diese Mail am 3. Juni 2019 vor der Beurkundung geöffnet. Den Parteien sei die Mail ebenfalls zugestellt worden. Notar M._____ habe die Änderungen nicht unbesehen übernommen, sondern habe sie in eine richtige und verständliche Form gebracht. Die Urkunde entspreche den Vorgaben der Maklerin. Die Bestimmung zur Kaufpreiszahlung sei mitnichten missverständlich. Der Notar habe ausdrücklich festgehalten, dass Kaufpreisfestlegung und Kaufpreistilgung ausseramtlich und ohne Zutun und Verantwortung des Notars sowie des Grundbuchamtes erfolgten. Er habe den Vertragsparteien damit unmissverständlich zur Kenntnis gebracht, dass er sich nicht mit der Abwicklung der Kaufpreis-zahlung befassen würde. Dies entspreche der Praxis. Eine gesonderte Besprechung zwischen den Käufern und dem Notar habe entgegen den Behauptungen der Kläger nicht stattgefunden. Über die erfolgte Kaufpreis-zahlung sei nebst der Erklärung der Käufer eine Bestätigung der Maklerin vorgelegen, welcher die Kläger offensichtlich Glauben geschenkt hätten. Die Beurkundung sei gesetzeskonform durchgeführt worden. Die Einheit des Aktes sei eingehalten worden.
7.1.3 Den Akten lässt sich entnehmen, dass sich die Parteien auf den Kauf-vertragsentwurf vom 16. April 2019 geeinigt hatten. Dieser sah betreffend Kaufpreiszahlung vor, dass die erste Kaufpreisrate vor der Beurkundung treuhänderisch auf das Konto von Notar M._____ einzuzahlen ist und die zweite Kaufpreisrate entweder Zug um Zug auf das Konto der Verkäufer, wobei in diesem Fall bis zur Beurkundung ein unwiderrufliches Zahlungs-versprechen vorzuliegen hat, oder andernfalls dieser Betrag bis zur Beurkundung ebenfalls auf das Konto von Notar M._____ einzuzahlen ist. Am Tag der Beurkundung, am 3. Juni 2019, änderte Notar M._____ aufgrund einer Mail der Maklerin der Verkäufer (J._____) vom Vortag die Kaufpreisregelung. Demzufolge wurde gemäss Angaben der Parteien der volle Kaufpreis bereits treuhänderisch und ausseramtlich auf das Konto der G._____ Genossenschaft überwiesen, welche von den Parteien gemäss separater Absprache beauftragt wird, die Kaufpreistilgung und Bezahlung der Vertragskosten vorzunehmen.
7.1.4 Die Kläger führen aus, dass sie keine Kenntnisse von der Mail von J._____ vom 2. Juni 2019 hatten. Sie seien bereits am 31. Mai 2019 von Deutschland nach F._____ gefahren, um die Wohnung übers Wochenende noch einer letzten Reinigung zu unterziehen, damit sie diese wie geplant am Montag, 3. Juni 2019, ordentlich den Käufern übergeben konnten. In F._____ hätten die Kläger, die gemäss eigener Aussage betagt seien, weder WLAN, PCs oder mobile Arbeitsstationen wie Tablets oder dergleichen gehabt. Ihr Mobiltelefon hätten sie dabeigehabt, darauf würden sie allerdings keine E-Mail-Korrespondenz führen. Folglich sei den Klägern die Mail von Herrn J._____ vom 2. Juni 2019 nicht bekannt gewesen. Sie hätten weder etwas von erfolgten Zahlungen noch von den Vertragsänderungen des Maklers vom Vortag gewusst. Im Rahmen der Beurkundung sei nicht über die überraschenden Änderungen gesprochen worden, die der nicht anwesende Herr J._____ via Mail am Vortag eingebracht habe.
Die Kläger bringen weiter vor, dass ihnen nicht erklärt worden sei, dass, wann und wie die Käufer Herrn J._____ den Kaufpreis übergaben. Sie hätten bei der Lesung der Urkunde verstanden, die CHF 490’000.00 seien inzwischen bezahlt worden und seien vorhanden. Sie hätten erwartet, dass der Notar über dieses Geld verfügen könne bzw. dass die Auszahlung desselben an sie sichergestellt sei. So überrascht der Notar über die kurzfristigen Änderungen am Vertrag gewesen sein musste, so überrascht hätten sich auch die Vertragsparteien zeigen müssen. Umso mehr hätte der Notar sich vergewissern müssen, dass die Kläger (und auch die Käufer) von den sonntäglichen Änderungen des Herrn J._____ überhaupt Kenntnis hatten. Stattdessen sei dies mit keinem einzigen Wort erwähnt worden. Diese Vorgänge hätten dazu geführt, dass Herr J._____ die Parteien willfährig hatte ausbooten können. Bei der gebotenen Sorgfalt des Notars hätte dies nach Ansicht der Kläger nicht passieren können.
7.1.5 Die Beklagte erwidert darauf, dass der vom Notar verfasste Vertragstext klar sei und auf der Bestätigung der Parteien fusse, dass der Kaufpreis vollständig an die Maklerin bezahlt worden sei. Der Notar habe keine Bestätigung abgegeben, dass der Kaufpreis vorhanden sei. Vielmehr habe er im Vertragstext klar zum Ausdruck gebracht, dass der Kaufpreis «nach Angabe der Parteien» auf ein Konto der Maklerin überwiesen worden sei. Die Vertragsparteien hätten der Maklerin ihr Vertrauen geschenkt, den Kaufpreis auf deren Konto geleistet und aufgrund deren Bestätigung die Kaufpreiszahlung quittiert. Das Verhalten der Maklerin und deren Organe falle nicht in den Verantwortungsbereich der Urkundsperson.
7.1.6 Dass der Vertragstext des beurkundeten Vertrags an sich klar und unmissverständlich ist, wird vorliegend nicht in Frage gestellt. Ebenso wenig ist strittig, ob die vorangehenden Entwürfe des Vertrags sorgfältig ausgearbeitet wurden. Fraglich ist allerdings, ob sich die Parteien über die am Tag der Beurkundung vorgenommenen Änderungen am Vertragstext im Klaren waren resp. ob ihnen bewusst war, dass sie nicht den im Vorfeld vereinbarten Vertrag vom 16. April 2019 vor sich gehabt haben.
7.1.7 Die Änderungen von J._____ sind sehr kurzfristig – am Tag vor der Beurkundung – bei Notar M._____ sowie bei den Parteien eingetroffen. Aufgrund der Adressierung und des Wortlauts der Mail musste Notar M._____ davon ausgehen, dass es sich dabei nicht um Änderungswünsche der Parteien handelte und er konnte mithin nicht wissen, ob die Parteien überhaupt Kenntnis davon hatten, geschweige denn, ob sie damit einverstanden waren. Hinzu kommt, dass die Änderungen die Kaufpreisregelung betrafen – einen für einen Kaufvertrag wesentlichen Punkt – und zudem eine Partei dadurch wesentlich schlechter gestellt wurde. Es handelte sich also nicht um marginale Änderungen, deren spezifische Erwähnung allenfalls vernachlässigt werden konnte, sondern es ging um das Wesentlich des Vertragsinhalts. Ausserdem ergab sich aus der Mail von J._____ vom 2. Juni 2019, dass die G._____ Genossenschaft bereits seit spätestens dem 24. April 2019 im Besitz der vollen Kaufpreissumme war. Dies hätte den Notar aus mehreren Gründen aufhorchen lassen müssen. Zum einen war bis zum Tag der Beurkundung nie die Rede davon war, dass das Geld der G._____ Genossenschaft überwiesen werden solle. Zum anderen hatte Notar M._____ bei J._____ mehrmals nach dem Geld gefragt hat, und zwar zu Zeitpunkten, zu welchen, wie er nun erfahren hat, dieser bereits im Besitz des Geldes war, ohne auch nur etwas Derartiges anzumerken. Hinzu kommt, dass die abgeänderte Kaufpreisregelung – anders als dies die Beklagte darlegt – gerade nicht der Praxis entspricht. Es ist nicht üblich, dass Kaufpreiszahlungen von Liegenschaften über eine Maklerin oder eine sonstige nicht gesicherte Stelle abgewickelt werden, sondern vielmehr ist es üblich, dass diese über Notaranderkonten resp. via Bankversprechen und Zug um Zug-Zahlungen auf das Konto der Verkäuferschaft abgewickelt werden.
Diese Umstände hätten einen sorgfältig agierenden Notar dazu veranlassen müssen, die Angelegenheit mit den Parteien genau zu klären, bevor er einen monatelang feststehenden Vertrag aufgrund einer E-Mail der Maklerin kurzfristig abändert. Unter den gegebenen Umständen reicht es nicht aus, dass der Vertragstext klar formuliert und an sich zulässig ist, vielmehr bedarf es einer Aufklärung über die vorgenommenen Änderungen durch den Notar. Den Klägern ist demnach zuzustimmen, dass sich Notar M._____ hätte vergewissern müssen, dass die Parteien tatsächlich Kenntnis von den Änderungen hatten und damit einverstanden waren.
7.2 Es stellt sich somit die Frage, ob Notar M._____ seine Belehrungspflichten in ausreichendem Masse wahrgenommen hat. Die Belehrungspflicht ergibt sich einerseits bereits aus dem Sinn und Zweck der öffentlichen Beurkundung sowie aus Art. 24 Abs. 3 NotG. Demnach hat die Notariatsperson die Vorstellungen und Absichten der Beteiligten zu ermitteln, sie über Inhalt und erkennbare Tragweite des Geschäfts zu belehren sowie auf Beseitigung von Widersprüchen oder Unklarheiten hinzuwirken.
7.2.1 Die Kläger bringen vor, dass sie über den Inhalt und die Tragweite des Geschäfts nicht belehrt worden seien. Sie sind der Ansicht, dass der Notar sie zumindest darüber hätte belehren müssen, dass sie mit der jüngsten wesentlichen Änderung der Urkunde völlig schutzlos dastünden. Er habe gewusst, dass die Maklerin nur eine mit CHF 10.00 dotierte Genossen-schaft gewesen sei, dass Herr J._____ unorganisiert gewesen sei, dass die Maklerin maximal CHF 49’000.00 jemals hätte entgegennehmen dürfen, dass alle Vorentwürfe die Sicherheit der Geldzahlung durch Transfer via Notarkonto bzw. Zahlungsversprechen vorgesehen hätten, dass die erfolgten Zahlungen der CHF 490’000.00 nicht ausreichend belegt gewesen seien, sondern im Gegenteil die Hälfte davon seit Wochen, die andere Hälfte sogar in Bargeld, in fremden Währungen in Privatwohnungen übergeben worden sei sowie dass er den Klägern eine Eigentumsübertragungsanmeldung vorgelegt habe, die er dann der Maklerin weitergeben würde. Der Notar habe die Tragweite des Geschäfts, insbesondere mit den jüngsten Änderungen, erkennen müssen, aber er habe die unerfahrenen Kläger darüber mit keinem Wort belehrt.
7.2.2 Belehrungsfehler werden als haftungsbegründend betrachtet, wenn sie sich in «mangelhafter inhaltlicher Gestaltung des beurkundeten Rechtsgeschäfts oder in mangelhafter Durchführung des protokollierten Verfahrens auswirken; zu diesen Fehlern gehört auch mangelhaft gewährter Schutz vor Unbedacht, wenn wegen unterlassener Belehrung ein Geschäft zustande kommt, das im Klienteninteresse richtigerweise hätte unterbleiben sollen» (PKG 1998 Nr. 7 E.1a S. 28 m.H.a. Brückner, a.a.O., Rz. 624). Zur erforderlichen Belehrung, die die Urkundsperson vorzunehmen hat, zählt dabei die verfahrensrechtliche Belehrung, die Urkunden-Erläuterung, die Rechtsfolgen-Belehrung und die Ungewöhn-lichkeits-Belehrung. Die Belehrung ist in dem Umfang erforderlich, der sicherstellt, dass die Parteien die für die Beurkundung notwendigen Kenntnisse haben.
Die Rechtsfolgen-Belehrung hat mit konkretem Bezug auf das zu beurkun-dende Geschäft zu erfolgen. «Die Urkundsperson hat auf die mit einzelnen Rechtsfolgen typischerweise verbundenen Risiken hinzuweisen, wobei als Risiko in diesem Zusammenhang jede wesentliche ungünstige Abweichung der rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des beurkundeten Geschäftes von jenen Erwartungen der Klientschaft zu verstehen ist, welche für die Urkundsperson erkennbar sind oder von ihr angenommen werden müssen» (PKG 1998 Nr. 7 E.1a S. 29 m.H.a. Brückner, a.a.O., Rz. 1745 f.).
Da der von Notar M._____ am 3. Juni 2019 den Parteien vorgelegte Vertrag wesentlich von dem von den Parteien Monate zuvor abgesegnete Vertrag abweicht und insbesondere die Kläger in eine wesentlich schlechtere Position gestellt werden, als dies bis anhin vorgesehen war, hätte Notar M._____ die Parteien auf das dadurch entstehende Risiko hinweisen müssen.
7.2.3 Den erforderlichen Umfang der Belehrungspflicht hat die Urkundsperson anhand der Natur des konkreten Geschäfts sowie aufgrund des Wissensstandes der erklärenden Personen zu definieren. Die Urkunds-person muss daher in jedem Einzelfall den Erläuterungsbedarf der Parteien abklären (PKG 1998 Nr. 7 E.1a S. 29 m.H.a. Brückner, a.a.O., Rz. 1772 ff.).
Ein erhöhter Erläuterungsbedarf durch den Notar war vorliegend aufgrund folgender Gegebenheiten angezeigt:
• Die Kaufpreisregelung wies in allen vorangehenden Entwürfen im Wesentlichen denselben Wortlaut auf.
• Die Parteien haben sich auf den Vertragsentwurf von Notar M._____ vom 16. April 2019 geeinigt. Sie durften also in guten Treuen davon ausgehen, dass sie knappe zweieinhalb Monate später, am 3. Juni 2019, eben diesen Vertrag und nicht plötzlich einen anderen Vertrag zur Unterzeichnung erhalten werden.
• Die Änderungswünsche waren sehr kurzfristig. Aufgrund der Mail von J._____ vom 2. Juni 2019 konnte Notar M._____ nicht davon ausgehen, dass die Parteien Kenntnis von dessen kurzfristigen Änderungswünschen hatten, wenn sie eben diese Mail nicht gelesen haben, geschweige denn, dass sie damit einverstanden waren.
• Es handelt sich bei der Kaufpreisregelung um einen wesentlichen Bestandteil eines jeden Kaufvertrags.
• Mit der kurzfristigen Änderung der Kaufpreisklausel wurden die Kläger wesentlich schlechter gestellt als sie dies bisher gemäss allen Vorentwürfen, mit denen sie sich im Vorfeld der Beurkundung auseinandergesetzt haben, waren.
• Die abgeänderte Kaufpreisregelung entspricht nicht der Praxis.
• Die Mail von J._____ vom 2. Juni 2019 enthielt eine Bestätigung des Eingangs der Kaufsumme. Dieser Bestätigung ist zu entnehmen, dass die G._____ Genossenschaft zwischen dem 5. Februar und dem 24. April 2019 die gesamte Kaufsumme von CHF 490’000.00 erhalten hat. Den vorliegenden Akten lässt sich entnehmen, dass Notar M._____ am 15. April 2019 I._____ mitteilte, dass die Käuferschaft darauf hinzuweisen sei, dass die erste Kaufpreisrate von CHF 236’000.00 vorgängig der Beurkundung auf sein Notaranderkonto zu überweisen sei. Woraufhin J._____ gleichentags antwortete, dass der volle Kaufpreis bis zum 29. April 2019 seitens der Käuferschaft auf dem Konto des Notars sein werde. Mit Mail vom 21. Mai 2019 machte Notar M._____ J._____ nochmals darauf aufmerksam, dass die erste Kaufpreisrate von CHF 236’000.00, welche bis zur Beurkundung auf sein Konto zu überweisen sei, noch nicht bei ihm eingegangen sei. Nun erfährt er ein paar Tage später, dass J._____ resp. die G._____ Genossenschaft zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem knappen Monat im Besitz der kompletten Kaufpreissumme war. Dies hätte ihn stutzig werden lassen müssen.
Diese Gegebenheiten sprechen dafür, dass Notar M._____ hätte erkennen müssen, dass er in diesem Geschäft die Parteien über die kurz vor der Beurkundung vorgenommenen Änderungen in einem vertieften Ausmass hätte belehren müssen und tatsächlich sicherstellen, dass die Parteien verstehen, welche Folgen die Änderungen der Bestimmung über den Kaufpreis bewirken. Es ist davon auszugehen, dass Notar M._____ den Vertrag Wort für Wort vorgelesen hat, unter den konkreten Umständen genügt dies jedoch nicht. Wäre der Vertrag vom 16. April 2019 unterzeichnet worden, hätte das Vorlesen wahrscheinlich der erforderlichen Belehrung genüge getan, da die Parteien diesen Vertrag kannten, sich damit auseinandergesetzt hatten und diesen bereits abgesegnet hatten. Wenn allerdings derart kurzfristig Änderungen vorgenommen werden, selbst wenn diese von der Maklerin der einen Partei veranlasst wurden, hat der Notar diese Änderungen mit den Parteien zu besprechen – vor allem wenn er, wie vorliegend, davon ausgehen muss, dass die Parteien über die Änderungen nicht informiert waren und zudem eine Partei dadurch schlechter gestellt wird. Ihm hätte klar sein müssen, welche Sicherheiten die Kläger durch die Änderungen am Vertragstext einbüssen. Demnach ist Notar M._____ seiner Belehrungspflicht im konkreten Fall nicht in genügender Weise nachgekommen. Er hat weder die Vorstellungen und Absichten der Beteiligten ermittelt, noch sie über Inhalt und erkennbare Tragweite des Geschäfts belehrt.
7.3 Notar M._____ hat seine Sorgfaltspflichten nach Art. 26 NotG verletzt indem er kurzfristige Änderungen am vor Monaten durch die Parteien abgesegneten Vertragsentwurf vorgenommen hat, ohne diese Änderungen und deren Folgen den Parteien in genügendem Masse zu erläutern.

8. Schaden

Nach dem im schweizerischen Recht vorherrschenden Schadensbegriff ist zu prüfen, ob dem Kläger ein Schaden im haftpflichtrechtlichen Sinne entstanden und wie hoch dieser gegebenenfalls ist. Dabei gelangt die sog. Differenztheorie zur Anwendung, wonach der Schaden der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte, entspricht (siehe dazu statt vieler BGE 133 III 153 E.3.5).
Die Kläger machen die Kaufpreissumme in der Höhe von CHF 490’000.00 zuzüglich Zins seit 4. Juni 2019 geltend. Sie halten sich die Erhöhung des eingeklagten Betrags vor, da noch nicht geklärt sei, wer die Handänderungssteuern bezahlen müsse, gemäss Kaufvertrag müsse die G._____ Genossenschaft zahlen, diese sei aber nicht Partei der Urkunde.
Vor der Beurkundung waren die Kläger Eigentümer einer Liegenschaft in F._____. Danach waren die Kläger nicht mehr Eigentümer der Liegenschaft in F._____ und sie haben den von den Käufern bezahlten Gegenwert für die Liegenschaft von CHF 490’000.00 nicht erhalten. Hätte die Beurkundung gemäss den im Vorfeld vereinbarten Bedingungen stattgefunden, wären sie seit dem 4. Juni 2019 im Besitz des Kaufpreises von CHF 490’000.00 oder die Beurkundung hätte nicht stattfinden können und sie wären nach wie vor Eigentümer der Liegenschaft. Wären die Änderungen des Vertrags am 3. Juni 2019 nämlich nicht erfolgt, hätte der Kaufvertrag nur beurkundet werden dürfen, wenn die erste Kaufpreisrate bis dahin auf dem Konto von Notar M._____ eingetroffen wäre. Somit hätte bei Nichtvorliegen des Geldes der ursprünglich vereinbarte Vertrag vom 16. April 2019 nicht unterzeichnet werden können und die Kläger wären nach wie vor Eigentümer der Liegenschaft oder bei Vorliegen des Geldes wären die Kläger nun im Besitz des Kaufpreises.
Der Schaden in der Höhe von CHF 490’000.00 zuzüglich Zins seit dem 4. Juni 2019 ist ausgewiesen.

9. Kausalität

Eine Sorgfaltspflichtverletzung des Notars ist dann haftungsbegründend, wenn zwischen ihr und dem Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Ein natürlicher Kausalzusammenhang ist dann adäquat, wenn die betreffende Ursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet war, den eingetretenen Erfolg zu bewirken, so dass der Eintritt dieses Erfolges als durch die fragliche Tatsache allgemein begünstigt erscheint (vgl. Rey/Wildhaber, a.a.O., Rz. 633 mit w.H. in Fussnote 686). Ein natürlicher Kausalzusammenhang ist Voraussetzung für das Vorliegen einer adäquaten Kausalität (vgl. BGE 107 II 269 E.3; Rey/Wildhaber, a.a.O., Rz. 642). Die natürliche Kausalität wird umschrieben mit der ‹conditio sine qua non-Formel›, wonach das in Frage stehende Ereignis eine notwendige Bedingung für den Schaden darstellt bzw. die Ursache nicht weggedacht werden kann, ohne dass damit auch der eingetretene Erfolg entfällt (vgl. BGE 142 IV 237 E.1.5.1; Urteil des Bundesgerichts 2C_40/20172C_41/2017 vom 5. Oktober 2017 E.5.1.1; Rey/Wildhaber, a.a.O., Rz. 633); dabei genügt als Beweismass die überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. BGE 133 III 153 E.3.3, 132 III 715 E.3.2 mit weiteren Hinweisen; Rey/Wildhaber, a.a.O., Rz. 778; vgl. zum Begriff der überwiegenden Wahrscheinlichkeit etwa BGE 140 III 610 E.4.1, 130 III 321 E.3.3, 107 II 269 E.1b). Die Feststellung einer natürlichen Kausalität ist eine Tatfrage (vom Kläger zu beweisen; Beweismass: überwiegende Wahrscheinlichkeit), die Frage nach der Adäquanz eines Kausal-zusammenhangs unterliegt dagegen dem Ermessen des Gerichts, ist also ein Werturteil und damit eine Rechtsfrage (siehe Rey/Wildhaber, a.a.O., Rz. 641 m.w.H.).
9.1 Es ist davon auszugehen, dass die Kläger, wären sie umfassend über die vorgenommenen Vertragsänderungen informiert worden, den Vertrag nicht unterzeichnet hätten. Zumindest die Tatsache, dass das Geld schon vor Monaten von den Käufern der Maklerin übergeben wurde, und dies obwohl in jedem Vertragsentwurf vorgesehen war, dass die Zahlung treuhänderisch über das Konto von Notar M._____ resp. ihr eigenes Konto (Zug um Zug mit der Eigentumsübergabe) abgewickelt wird, hätte die Kläger derart misstrauisch gemacht, dass sie, wenn diese Tatsache ihnen zum Zeitpunkt der Beurkundung bewusst gewesen wäre, den Vertrag nicht unterzeichnet hätten. Hätte Notar M._____ seine Sorgfalts- und Belehrungspflichten in genügendem Masse wahrgenommen und die Parteien umfassend aufgeklärt, wäre der Kaufvertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zustande gekommen. Somit wären in diesem Fall die B._____ nach wie vor Eigentümer der Liegenschaft und hätten keinen Schaden erlitten. Demnach ist der natürliche Kausalzusammenhang vorliegend als erfüllt zu betrachten.
9.2 Der adäquate Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Sorgfalts-pflichtverletzung durch Notar M._____ nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet war, dazu zu führen, dass die Kläger am Schluss ohne Wohnung sowie ohne entsprechende Kaufpreiszahlung dastehen. Die erfolgte Abänderung der Kaufpreisregelung im Kaufvertrag ist grundsätzlich bereits an sich geeignet, den eingetretenen Erfolg herbeizuführen. Schliesslich wurde dadurch jedwede Sicherheit der Kaufpreiszahlung gestrichen – was zudem bei Grundstückskäufen sehr unüblich ist. Hinzu kommt, dass die Kläger durch den Notar nicht hinreichend über die vorgenommenen Änderungen informiert wurden. Unter diesen Umständen erscheint die Sorgfaltspflichtverletzung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet, den eingetretenen Erfolg zu bewirken. Die durch Notar M._____ begangene Sorgfaltspflichtverletzung hatte auf den eingetretenen Erfolg auf jeden Fall eine begünstigende Wirkung. Mithin ist in casu auch die adäquate Kausalität der Sorgfalts-pflichtverletzung zu bejahen.
9.3 Zu prüfen bleibt vorliegend allerdings, ob der Kausalzusammenhang allenfalls unterbrochen wurde. Der adäquate Kausalzusammenhang wird unterbrochen, wenn zu einer an sich adäquaten Ursache eine andere Ursache hinzutritt, die einen derart hohen Wirkungsgrad aufweist, dass erstere nach wertender Betrachtungsweise als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheint (BGE 116 II 519 E. 4b S. 524). Es stellt sich somit die Frage, ob einerseits das Verhalten der Maklerin und andererseits das Verhalten der Kläger selbst die Sorgfaltspflichtverletzung von Notar M._____ als inadäquat erscheinen lässt.
Im Normalfall vermag das Verhalten des Geschädigten oder eines Dritten den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Schaden und Verhalten des Schädigers nicht zu beseitigen (vgl. BGE 116 II 519 E 4b S. 524). Um den adäquaten Kausalzusammenhang zu unterbrechen, muss das Mitverschulden des Geschädigten oder eines Dritten derart schwer wiegen, dass es das Verschulden des Schädigers in den Hintergrund zu verdrängen vermag (vgl. BGE 112 II 138 E. 3a S. 142). Dabei sind die verschiedenen Ursachen hinsichtlich Intensität und Wesentlichkeit gegeneinander abzuwägen. (vgl. Rey/Wildhaber, a.a.O., Rz. 673). Wobei an die Intensität des Entlastungsgrundes hohe Anforderungen gestellt werden. Es genügt nicht, dass dieser schwerer wiegt, er muss vielmehr derart aussergewöhnlich sein, dass damit nicht zu rechnen war (vgl. BGE 116 II 519 E. 4b S. 524, Rey/Wildhaber, a.a.O., Rz. 674). Die Entlastungsursache muss bei wertender Betrachtungsweise derart intensiv erscheinen, dass sie die andere Ursache verdrängt und als unbedeutend erscheinen lässt, um eine Unterbrechung des Kausal-zusammenhangs bewirken zu können (vgl. BGE 116 II 519 E. 4b S. 524).
9.3.1 Zunächst ist ein allenfalls bestehendes Drittverschulden durch die Maklerin zu prüfen. Betrachtet man das Verhalten der Maklerin in einem übergeordneten Sinn, nämlich dahingehend, dass sie den Kaufpreis von den Käufern entgegengenommen hat, diesen aber nicht den Verkäufern übergeben hat, ist die Kausalität ihres Verhaltens für den eingetretenen Schaden offensichtlich. Der Einfluss des Verhaltens der Maklerin auf die kurzfristige Vertragsänderung resp. die Unterlassung der Belehrung, die zur Sorgfaltspflichtverletzung des Notars geführt hat, ist allerdings differenzierter zu betrachten.
Die Maklerin hat von den Käufern die Kaufpreiszahlung entgegen-genommen, ohne dies den Verkäufern oder dem Notar mitzuteilen. Im Vertragsentwurf war vorgesehen, dass knapp die Hälfte des Kaufpreises (CHF 236’000.00) bis zum Moment der Vertragsunterzeichnung bereits treuhänderisch auf das Konto von Notar M._____ zu überweisen ist und der Rest (CHF 254’000.00) Zug um Zug mit der Eigentumsübertragung auf das Konto der Verkäuferschaft. Um dafür zu sorgen, dass der Vertrag, obwohl die vorgesehenen Bedingungen nicht eingehalten waren, doch unterzeichnet wird, hat die Maklerin bei Notar M._____ kurzfristig Änderungen des Kaufvertrags in Auftrag gegeben. Es ist davon auszugehen, dass Notar M._____ die Beurkundung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht durchgeführt hätte, wenn die Maklerin am Vortag keine Mail mit Änderungswünschen geschickt hätte, da das Geld nicht wie bis dahin vorgesehen, auf seinem Konto war. Damit war das Verhalten der Maklerin natürlich kausal für den eingetretenen Schaden.
Fraglich bleibt indessen, ob ihr Verhalten adäquat kausal für den eingetret-enen Schaden war. Demnach müsste ihr Verhalten nach dem natürlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet gewesen sein, den eingetretenen Erfolg herbeizuführen. Die Änderungswünsche der Maklerin hätten nach dem natürlichen Lauf der Dinge eben gerade nicht dazu führen dürfen, dass der Notar die Beurkundung trotzdem vornimmt resp. es unterlässt die Parteien darüber zu informieren. Vielmehr wäre ein aufmerksamer Notar nach der allgemeinen Lebenserfahrung unter den gegebenen Umständen argwöhnisch geworden und hätte die Beurkundung allenfalls abgesagt oder zumindest mit den Parteien genau besprochen, welche Folgen die Änderungen mit sich bringen. Somit besteht kein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Maklerin bezüglich der Vertragsänderung sowie mangelnden Belehrung durch den Notar und dem eingetretenen Schaden. Infolge-dessen kann das Verhalten der Maklerin den Kausalzusammenhang nicht unterbrechen.
Selbst wenn jedoch der adäquate Kausalzusammenhang zu bejahen wäre, würde das Verhalten der Maklerin keine Entlastungsursache darstellen. Eine Entlastung ist nur bei grobem Drittverschulden anzunehmen. Da dieses Verhalten das Verhalten des Notars in keiner Weise zu verdrängen vermag oder als unbedeutend erscheinen lässt, kann auch kein grobes Drittverschulden vorliegen. Der Notar liess sich von der Maklerin für ihre Machenschaften benutzen. Gerade von einer Person in seiner Stellung darf mehr Umsicht verlangt werden. Die Intensität des Verhaltens des Notars ist zu hoch, als dass der Kausalzusammenhang unterbrochen werden könnte.
9.3.2 Die Kläger haben den Vertrag, den ihnen Notar M._____ vorgelesen hat, unterzeichnet. Es bleibt somit zu prüfen, ob ein Selbstverschulden der Kläger vorliegt. Da das Selbstverschulden, kein Verschulden im Rechtssinn ist, wird es als gegeben betrachtet, wenn ein für den Schaden ursächliches Verhalten vorliegt, das bei anderer Rollenverteilung ein Verschulden darstellen würde. Urteilfähigkeit und Fährlässigkeit sind Voraussetzungen für das Vorliegen eines Selbstverschuldens (vgl. Fischer/Böhme/Gähwiler, in Kren Kostkiewicz/Wolf/Amstutz/
Frankhauser: OR, Kommentar zum Schweizerischen Obligationenrecht, 4. Aufl., Zürich 2023, Rz. 12 zu Art. 44).
Es ist davon auszugehen, dass es sich bei den Klägern um urteilsfähige Personen handelt. Sie hatten den abgeänderten Vertrag vor sich, konnten ihn demnach lesen, und zudem wurde er ihnen von Notar M._____ vorgelesen. Sie hätten die Beurkundung abbrechen können oder zumindest nachfragen können, als sie bemerkt haben, dass der Notar nicht denselben Vertragstext vorliest, den sie im Vorfeld abgemacht hatten. Hätten die Kläger den Vertrag nicht unterzeichnet, wäre die Eigentumsübertragung nicht erfolgt und somit der vorliegende Schaden nicht entstanden. Mithin ist auch das Verhalten der Kläger als natürlich kausal für den eingetretenen Schaden zu beurteilen. Sie haben den Vertrag guten Glaubens unterzeichnet ohne die erfolgten Änderungen in Frage zu stellen. Dies kann ihnen durchaus als fahrlässiges Verhalten angelastet werden. Ausserdem kann dieses Verhalten nach dem allgemeinen Lauf der Dinge zum eingetretenen Erfolg führen. Demnach ist auch der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Kläger und dem eingetretenen Erfolg zu bejahen. Die Kläger haben zu verantworten, was sie unterzeichnen. Dennoch ist es auch nachvoll-ziehbar, dass sie dem Notar vertraut haben und dass sie am Tag der Beurkundung nicht mit derart ungewöhnlichen Änderungen am Vertragstext gerechnet haben. Folglich ist zwar das Selbstverschulden der Kläger durchaus gegeben, die Intensität dieses Verhaltens erscheint jedoch nicht als so hoch, dass es die Sorgfaltspflichtverletzung des Notars als Ursache zu verdrängen vermögen würde.
9.3.3 Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass durch das Fehlverhalten der Maklerin sowie das Selbstverschulden der Kläger das Fehlverhalten der Beklagten nicht derart verdrängt wird, dass es nach Ansicht des Gerichts als adäquat kausale Ursache ausser Betracht fiele. Nichtsdestotrotz ist davon auszugehen, dass das entsprechende Verhalten einen Einfluss auf den Schaden hatte. Demnach bleibt im Folgenden zu prüfen, ob es sich dabei um Herabsetzungsgründe handeln könnte.
9.4 Gemäss Art. 44 Abs. 1 OR kann das Gericht die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden, falls Umstände, für die der Geschädigte einstehen muss, auf die Entstehung oder die Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert haben. Unter Umstände, für welche der Geschädigte einzustehen hat und die auf die Schadensentstehung eingewirkt haben, sind das Selbstverschulden des Geschädigten sowie weitere Umstände, die in seinem Verantwortlichkeitsbereich liegen, zu zählen (vgl. Fischer/Böhme/Gähwiler, a.a.O., Rz. 10 zu Art. 44). Dazu zählt auch das Verhalten von Hilfspersonen, welchen der Geschädigte die Erfüllung einer Vertragspflicht bzw. die Ausübung eines Rechts aus einem Schuldver-hältnis übertragen hat (BGE 130 591 E. 5.2 S. 601). Demnach fällt das Verhalten der Maklerin als Vertreterin der Kläger in die Risikosphäre der Kläger. Ausserdem ist den Klägern, wie bereits festgestellt, ein Selbst-verschulden vorzuwerfen.
Das Selbstverschulden der Kläger durch ihre Nichtintervention, als ihnen der Notar während der Beurkundung einen gänzlich neuen Vertragstext vorgelegt und vorgelesen hat, sowie das Drittverschulden im Verhalten der Maklerin, das den Klägern anzurechnen ist, stellen Herabsetzungsgründe im Sinne von Art. 44 Abs. 1 OR dar. Demnach sind die Verursacherquoten von Schädiger und Geschädigten festzulegen und die Haftung des Schädigers ist entsprechend zu reduzieren (vgl. Fischer/Böhme/
Gähwiler, a.a.O., Rz. 14 zu Art. 44).
Bei einer Kausalhaftung, wie dies vorliegend der Fall ist, trägt der Schädiger aufgrund der verschuldensunabhängigen Haftung per se einen Teil des Schadens. Der Rest des Schadens kann nach Grösse des beidseitigen Verschuldens verteilt werden (vgl. Fischer/Böhme/Gähwiler, a.a.O., Rz. 17 zu Art. 44).
Das Verschulden des Schädigers wiegt nach Ansicht des Gerichts schwerer als jenes der Geschädigten. Der Schädiger hat die Mail der Maklerin gelesen, sich damit zumindest soweit auseinandergesetzt, dass er eine wesentliche Vertragsbestimmung komplett abgeändert hat und diese Tatsache hat er in der Folge mit den Parteien nur ungenügend thematisiert. Die Geschädigten auf der anderen Seite haben nicht interveniert als sie einen überarbeiteten Vertragstext vorgelegt und vorgelesen bekamen. Es ist davon auszugehen, dass sie die Mail der Maklerin nicht gekannt haben. Die aktive Veränderung des Vertragstextes und das Unterlassen seiner Aufklärungspflicht wiegen deutlich schwerer als das gutgläubige Mitmachen der Geschädigten, die dem Notar ihr Vertrauen geschenkt haben. Das Gericht erachtet eine Reduktion des Schadens von 25 % aufgrund des Selbstverschuldens der Kläger wegen ihrer mangelnden Eigenverantwortung für angemessen.
Hinzukommt das Verhalten der Maklerin, das den Klägern anzurechnen ist. Auch diesbezüglich wird das Verschulden des Schädigers als schwerer betrachtet. Schliesslich hätte er, wie bereits mehrfach erwähnt, unter den gegebenen Umständen stutzig werden müssen und hätte vor allem die Parteien sehr genau über die Änderungen aufklären müssen. Dennoch ging das Fehlverhalten grundsätzlich von der Maklerin aus und ist ihr Verschulden nicht von der Hand zu weisen. Daher erachtet das Gericht aufgrund ihres Verhaltens eine weitere Reduktion des Schadens um 25 % für angebracht. Folglich ist der Schaden, für den der Schädiger und somit die Beklagte einzustehen hat, nach Art. 44 Abs. 1 OR um insgesamt 50 % zu reduzieren aufgrund von Umständen, für die die Geschädigten einzustehen haben.
9.5 Zusammenfassend ist die Klage somit im Umfang von 50 % gutzuheissen. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
10.1 Das Gericht hat damit noch die Prozesskosten und Entschädigungen für das vorliegende Klageverfahren festzusetzen. Kläger und Beklagte haben im Umfang ihres Obsiegens und Unterliegens die Prozesskosten zu tragen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Prozesskosten gestützt auf Art. 73 Abs. 1 VRG je hälftig von den Parteien zu tragen. Das Gericht erachtet dabei ermessenweise eine Staatsgebühr von CHF 7’500.00 als angemessen. Folglich haben die Parteien je CHF 3’750.00 (zuzüglich Kanzleiauslagen) zu tragen.
10.2 Aussergerichtlich hat die Beklagte den Klägern im Umfang ihres Obsiegens gestützt auf Art. 78 Abs. 1 VRG Ersatz für die durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu leisten. Ausgangspunkt dafür ist die eingereichte Honorarnote der beteiligten Rechtsvertreter. Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung über die Bemessung des Honorars der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (HV; BR 310.250) setzt die urteilende Instanz die Parteientschädigung der obsiegenden Partei nach Ermessen fest. Dabei geht sie gemäss Art. 2 Abs. 2 Ziff. 1 HV vom Betrag aus, welcher der entschädigungsberechtigten Partei für die anwaltliche Vertretung in Rechnung gestellt wird, soweit der vereinbarte Stundenansatz zuzüglich allfällig vereinbartem Interessenwertzuschlag üblich ist und keine Erfolgszuschläge enthält. Als üblich gilt gemäss Art. 3 Abs. 1 HV ein Stundenansatz von CHF 210.00 bis CHF 270.00. Weiter wird vorausgesetzt, dass der geltend gemachte Aufwand angemessen und für die Prozessführung erforderlich ist (Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 HV) und die geforderte Entschädigung nicht eine von der Sache beziehungsweise von den legitimen Rechtsschutzbedürfnissen her nicht gerechtfertigte Belastung der unterliegenden Partei zur Folge hat (Art. 2 Abs. 2 Ziff. 3 HV).
Gemäss Kostennote vom 16. Dezember 2020 macht der Rechtsvertreter der Kläger eine Parteientschädigung von insgesamt CHF 39’111.55 (bestehend aus Honorar [CHF 22’288.50], Total Barauslagen [CHF 1’877.65], Rechnung Betreibungsamt X._____ vom 7. Oktober 2019 [CHF 227.40], Rechnung Betreibungsamt X._____ vom 3. Dezember 2019 [CHF 9.00], Rechnung Betreibungsamt Plessur vom 17. März 2020 [CHF 9.00] und Interessenwertzuschlag [3 % von CHF 490’000.00 – CHF 14’700.00]) geltend. Gemäss Honorarvereinbarung vom 2. Juni 2020 wurde ein Anwaltshonorar nach Zeitaufwand von CHF 270.00 pro Stunde vereinbart sowie ein Interessenwertzuschlag zwischen CHF 4000.00 und CHF 15’000.00 bei einem Interessenwert zwischen CHF 100’000.00 und CHF 500’000.00.
Der Vertreter der Beklagten hat am 4. Januar 2021 zur Honorarnote und Honorarvereinbarung Stellung genommen. Er erachtet die Anwendung des höchstzulässigen Stundenansatzes kumuliert mit dem vollen Interessenwertzuschlag als nicht zulässig. Er ist der Ansicht, dass entweder der Stundenansatz auf CHF 240.00 zu reduzieren sei oder der Interessenwertzuschlag zu streichen sei. Ausserdem weist er darauf hin, dass die Rechnung Aufwendungen von 4.7 Stunden enthalte, welche nicht im Zusammenhang mit dem hängigen Verfahren stünden. Namentlich seien dies Arbeiten im Zusammenhang mit der Grundstückgewinn-steuerdeklaration und Veranlagung und mit der ordentlichen Besteuerung. Zudem führe RA Portmann Arbeiten auf, die noch gar nicht angefallen seien: Am 16. Dezember 2020 habe er 5 Stunden für die Prüfung und das Studium des Urteils, Abschlussbesprechung mit den Mandanten und Sortieren der Akten erfasst. Abschliessend hält RA Schmid fest, dass der geltend gemachte Aufwand insgesamt sehr hoch erscheine, auch wenn einzuräumen sei, dass er auf Klägerseite in der Regel höher ausfalle als auf Beklagtenseite. Sein derzeitiger Kostenstand belaufe sich auf rund CHF 7’500.00 bei einem Stundenansatz von CHF 250.00.
Die Praxis des Verwaltungsgerichts (vgl. dazu etwa Urteile des Verwaltungsgerichts U 16 92 vom 25. Oktober 2017 E.13b, S 17 15 vom 27. September 2017 E.7b und R 18 17 vom 18. September 2019 E.9.2.1) geht gestützt auf die HV dahin, dass bei Einreichen einer Honorarverein-barung der geltend gemachte Stundenansatz übernommen wird, sofern er den Ansatz von CHF 270.00 nicht überschreitet. Demnach ist vorliegend der vereinbarte Stundenansatz von CHF 270.00 nicht zu beanstanden. Der Interessenwertzuschlag in der Höhe von CHF 14’700.00 (3 % von CHF 490’000.00) ist zu berücksichtigen, da es sich um eine rein vermögensrechtliche Streitigkeit handelt und dessen Berechnung der in der Honorarvereinbarung abgebildeten üblichen Tabelle entspricht. Folglich besteht kein Anlass, diesen zu streichen (vgl. auch VGU U 18 73 E.3.2).
Die von RA Portmann geltend gemachten Leistungen in der Höhe von 4.7 Stunden, welche nicht mit dem hängigen Verfahren zusammen-hängen, sind jedoch zu streichen. Von den 5 Stunden, die RA Portmann für die Prüfung und das Studium des Urteils, Abschlussbesprechung mit den Mandanten und Sortieren der Akten erfasst hat, ist ihm 1 Stunde zuzugestehen. Folglich sind von der Honorarnote von RA Portmann 8.7 Stunden zu streichen. Demnach ist die Honorarnote um CHF 2’349.00 zu kürzen. Diese beträgt folglich CHF 36’762.55. Davon hat die Beklagte den Klägern die Hälfte, CHF 18’381.30, zu entrichten.
10.3 Gemäss Art. 78 Abs. 2 VRG wird Bund, Kanton und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen. Demnach steht dem Kanton, auch wenn er zur Hälfte obsiegt hat, keine Parteientschädigung zu.
11. Zur Rechtsmittelbelehrung gilt es, in Abkehr zur bisherigen Praxis des Verwaltungsgerichts in Staatshaftungsfällen gestützt auf Art. 85b VRG (Gebot des doppelten Instanzenzugs in Zivilsachen), auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Urteil 2C_817/2020 vom 27. Dezember 2021 hinzuweisen, wonach medizinische Haftpflicht-ansprüche ungeachtet der Natur ihrer Rechtsgrundlage (öffentliches Recht oder Privatrecht) direkt beim Bundesgericht (I. zivilrechtliche Abteilung) mit Beschwerde in Zivilsachen nach Art. 72 ff. BGG angefochten werden können (E.1.3.1). Es gebe keinen Grund, diese Rechtsprechung aus dem Medizinalhaftpflichtrecht auf andere Gebiete der Staatshaftung auszudehnen. Auch der Gesetzgeber gehe davon aus, dass Staatshaftungssachen grundsätzlich der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und nicht der Beschwerde in Zivilsachen unterlägen (E.1.3.2). Eine Weiterzugmöglichkeit des erstinstanzlichen Endentscheids des Verwaltungsgerichts mit Beschwerde oder Berufung an das Kantonsgericht besteht nach diesem Bundesgerichtsurteil also nicht mehr.» (Quelle: VGer GR, U 20 55)

Demnach erkennt das Gericht:

1. Die Klage wird teilweise gutgeheissen und der Kanton Graubünden verpflichtet, A._____ und B._____ den Betrag von CHF 245.000.00 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 4. Juni 2019 zu bezahlen.
2. Die Gerichtskosten, bestehend aus

– einer Staatsgebühr von CHF 7’500.00
– und den Kanzleiauslagen von CHF 770.00
zusammen CHF 8’270.00

gehen zur Hälfte zulasten des Kantons Graubünden und zur Hälfte zulasten von A._____ und B._____.
3. Der Kanton Graubünden hat A._____ und B._____ aussergerichtlich mit CHF 18’381.30 zu entschädigen.
4. [Rechtsmittelbelehrung]
5. [Mitteilung]

Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
Urteil U 2020 55 vom 06.06.2023

[Gegen diesen Entscheid wurde Beschwerde erhoben. Der Fall ist am Bundesgericht hängig (2C_507/2023).]

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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