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Post ändert Zustellung von Gerichtsurkunden

Datum:
30.07.2014
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Strafprozess / Strafverfahren
Stichworte:
Bundesgericht, Post
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Die Post will mit einer Änderung der Zustellung von Gerichtsurkunden für mehr Rechtssicherheit sorgen – und schafft dabei neue Rechtsunsicherheiten.

Wer bis anhin verreiste, liess die in der Zwischenzeit anfallende  Brief- und Paketpost von der lokalen Poststelle zurückbehalten. Dabei konnte man sichergehen, dass der Briefkasten in der Zeit der Abwesenheit nicht überquillt, dass sämtliche angefallene Korrespondenz auf der Poststelle zwischengelagert und man somit über sämtliche Zustellungen informiert wird. Davon waren auch eingeschriebene Briefe und Pakete nicht ausgeschlossen, welche gegen Unterschrift ausgehändigt werden. Sollte ein Schreiben solcher Art für weniger als sieben Tage auf der Poststelle gelagert werden, konnte es ohne weitere Umstände vom Empfänger gegen Unterschrift entgegen genommen werden. Nach sieben Tagen der Zurückstellung eingeschriebener Korrespondenz wurde diese bis anhin an den Sender zurückgesandt, jedoch nicht ohne dass der Empfänger über das versäumte Einschreiben informiert wurde. Ausserdem bestand für den Empfänger die Möglichkeit, die Abholfrist von sieben Tagen zu verlängern. Dies führte zu systematischen Unsicherheiten bei der Berechnung von Anfechtungsfristen, weshalb das Bundesgericht die Auflösung der Fristverlängerung von der Post verlangte.

Neue Zustellungsregelung hinterlässt ahnungslose Empfänger

Jetzt hat die Post reagiert und tritt mit einer neuen Regelung für den Umgang mit eingeschriebenen Briefen auf den Plan, welche  nur gerade vier Tage vor der Inkrafttretung kommuniziert wurde: Seit dem 01.04.2014 wurde die Zustellung eingeschriebener Korrespondenz dahingehend geändert, dass Schreiben, die gegen Unterschrift ausgehändigt werden, umgehend zurückgesandt werden, wenn die anfallende Post für mehr als sieben Tage zurückgehalten werden soll. Dabei wird der Empfänger der besagten Korrespondenz nicht mehr über den Erhalt der zurückgesandten Post informiert. Personen hingegen, welche der Post einen Zurückhaltungsauftrag von weniger als sieben Tage erteilten, werden weiterhin eine Abholungsaufforderung in ihrer Briefpost finden.
Diese neue Regelung führt zu nicht unerheblichen neuen Rechtsunsicherheiten im Umgang mit Anfechtungsfristen für Personen, die sich in einem juristischen Verfahren befinden.

Erläutern lässt sich diese Problematik an einem Beispiel:

Beispiel

Eine Person, der eine gerichtliche Verfügung zugestellt werden soll, lässt die anfallende Korrespondenz während einem dreiwöchigen Ferienaufenthalt von der lokalen Post zurückhalten. Zum Ende der ersten Ferienwoche trifft die Verfügung mit einer Einsprachefrist von 20 Tagen auf der Poststelle ein, welche umgehend retourniert wird, da der Rückstellungsauftrag der Post zu diesem Zeitpunkt noch mehr als sieben Tage andauert. Da der Empfänger über den Zustellungsversuch nicht informiert wird, wird ihm systematisch die Chance genommen, Gebrauch von der 20-tägigen Einsprachefrist zu machen.

Neue Regelung hat weitreichende Folgen

Dass Empfänger von einem eingeschriebenen Brief oder einer Gerichtsurkunde nicht in Kenntnis gesetzt werden, kann weitreichende Folgen haben. Daneben, dass Einsprachefristen unwillentlich versäumt werden, wird die neue Regelung der Post auch dazu führen, dass Gerichtsurteile rechtskräftig anerkannt werden, ohne dass der Beschuldigte davon erfährt, bis er vom Kläger betrieben wird. Ausserdem ist denkbar, dass zum Beispiel ein Strafbescheid wegen zu schnellem Fahren rechtskräftig wird, weil der Beschuldigte die Rechtsmittelgelegenheit versäumt. Davon erfahren wird die beschuldigte Person aber erst, wenn ihr der Führerschein entzogen wird. Zu diesem Zeitpunkt werden Dauer und Tatbestand des Ausweisentzugs bereits durch den Strafbescheid präjudiziert sein, ohne dass der Beschuldigte davon erfahren hätte, geschweige denn die Möglichkeit bekam, Einspruch zu erheben.

Denkbar sind eine Vielzahl derartiger unangenehmer Szenarien, welche sowohl Rechtsanwälte, als auch Privatpersonen direkt betreffen können. Um einer solchen Situation aus dem Weg zu gehen wird empfohlen auf den Rückstellungsservice der Post zu verzichten: Privatpersonen in juristischen Prozessen und Anwälte sind bei längerer Abwesenheit gut beraten, die anfallende Korrespondenz an einen Bekannten oder Kollegen weiterzuleiten, welcher die Briefpost für den Empfänger zwischenlagert. Nur auf diesem etwas umständlicheren Weg, können Sie zur Zeit unangenehmen Überraschungen sicher entgehen.

Meinung des Schweizerischen Anwaltsverbands SAV und Bundesgericht zur Neuerung der Postzustellung

Sowohl der Schweizerische Anwaltsverband, als auch das Bundesgericht stehen der Neuerung der Postzustellungsregelung äusserst kritisch gegenüber.

So lässt das Bundesgericht ausdrücklich verlauten, die automatische Retournierung der (Gerichts-)Korrespondenz ohne Benachrichtigung des Empfängers sei, «keine Änderung, die wir beantragt haben».

Auch der Schweizerische Anwaltsverband zeigt sich skeptisch und beteuert, «bei der Post an höchster Stelle interveniert und sich über Form sowie Inhalt dieser Ankündigung beschwert» zu haben. Der Schweizerische Anwaltsverband zeigt sich der Ansicht, dass die Post Empfänger wenigstens über den Zeitpunkt des Erhalts von Gerichtskorrespondenz informieren müsse.

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